DUITS – Prüfe es nach 2 – Anerkennung von Zucht in der Gemeinde (2)

Wohl Anerkennung … aber auf welcher Grundlage?

Das bedeutet natürlich nicht, dass wir mit dem Beschluss einer anderen Versammlung nichts zu tun haben und ihn in Ruhe übergehen können. Wenn jemand an einem bestimmten Ort als ein Böser aus der Mitte der Gläubigen weggetan wird, dann wird das normalerweise in anderen Versammlungen anerkannt. Die Frage ist jedoch, was die Grundlage für die Anerkennung ist. Die Grundlage ist nicht, dass die betreffende Versammlung Autorität über die Versammlungen an anderen Orten hat. Solch eine Bemerkung ist eigentlich das ‘Eintreten einer offenen Tür’; denn ich kenne ‘unter uns’ niemanden, der dies behauptet. Es ist jedoch auch nicht so, dass eine Versammlung die Akzeptanz ihrer Beschlüsse von anderen Versammlungen fordern könne, weil die Autorität des Herrn automatisch mit ihren Beschlüssen verbunden sei. Hierbei gibt es sehr wohl Gläubige ‘unter uns’ die dies behaupten.

Ich hörte mal die Geschichte eines Bruders X, der zu Bruder Y sagte: ‘Der Herr hat mir deutlich gemacht, dass du mir DM 5000,- leihen musst.’ Bruder X wusste natürlich genau, dass er keine Autorität über das Portemonnaie von Bruder Y hatte, deshalb baute er die Vorstellung von einer Angelegenheit des Herrn ein, denn Der hat diese Autorität sehr wohl. Bruder Y war jedoch ein nüchterner Mann und sagte: ‘Der Herr tut niemals halbe Sachen. Wenn Er dir das deutlich gemacht hat, wird Er es auch mir klar machen, und wenn Er das tut, dann leihe ich dir 5000,- DM.’ Abgesehen von der Frage, ob diese Geschichte auf Tatsachen beruht, möchte ich die Forderung der Anerkennung eines Versammlungsbeschlussses nicht gleichsetzen mit dieser Forderung von Bruder X, ihm 5000,- DM zu leihen; aber ich möchte sie wohl miteinander vergleichen.

Wenn eine Versammlung nämlich die Anerkennung ihrer Beschlüsse fordert, weil es Beschlüsse des Herrn sind, übt sie indirekt doch Autorität über andere Versammlungen aus. Nun wäre da kein Einwand erforderlich, wenn der Herr tatsächlich bedingungslos jedem Versammlungsbeschluss seine Autorität verliehe. Das lehrt die Schrift jedoch nicht und kann nicht aus Matth. 18,18-20 abgeleitet werden, wie ich hiervor versucht habe zu verdeutlichen. Um obenstehendes Beispiel weiterzuverfolgen: Was der Herr Versammlung A deutlich macht, wird Er auch Versammlung B deutlich machen. Dabei ist es normal, dass wir damit beginnen, Beschlüsse von Ausschlüssen anzuerkennen; und der Grund dafür ist ganz einfach dieser: Wenn Gläubige in A eine Person als einen Bösen aus ihrer Mitte weggetan haben, empfangen Gläubige an anderen Orten ihn nicht, einfach weil sie keinen Umgang mit Bösen haben dürfen; deshalb nicht aus formalen gründen, sondern aus moralischen Gründen.


Wenn Gläubige an anderen Orten solch einen Beschluss z.B. zur Diskussion stellen, könnte das bedeuten: (a) dass sie gleichgültig bezüglich der Möglichkeit sind, dass Böses in der Gemeinde auftritt und sie daher nicht wachsam sind, was die Heiligkeit Gottes betrifft, oder (b) dass sie ihren Brüdern und Schwestern an anderen Orten z.B. Unvermögen bescheinigen, auf der Bibel gegründete Beschlüsse zu fassen.

Anders ausgedrückt: Wenn Gläubige in A den Sauerteig ausgefegt haben, indem sie den Bösen entfernt haben, wie werden die Gläubigen in B dann diesen Sauerteig hereinlassen, indem sie den ‹beltäter empfangen? Das können sie doch nicht vor Gott verantworten!? Muss ihr Gewissen nicht genauso geübt werden wie das der Brüder und Schwestern in Ass Müssen nicht auch sie sich vor Gottes Angesicht fragen, was die Heiligkeit des Hauses Gottes von ihnen verlangt?

Wir haben daher durchaus mit den Beschlüssen anderer Versammlungen zu tun, aber das nicht auf formaler Grundlage, sondern auf moralischer. Wir akzeptieren einen Beschluss unserer Brüder und Schwestern aus einem anderen Ort im voraus, weil wir davon ausgehen, dass sie in Abhängigkeit von dem Herrn handeln. Wir vertrauen darauf, dass sie Beschlüsse fassen, die wirklich vom Himmel anerkannt werden. Dabei haben wir zu bedenken, dass Brüder und Schwestern eines Ortes eine Situation normalerweise besser beurteilen können als die Gläubigen an anderen Orten.

Das schliesst jedoch nicht aus, dass eine Versammlung irren kann. Es kann sehr wohl vorkommen, dass die Gläubigen dort zu Unrecht Ausschlussentscheidungen treffen. Wenn die Gläubigen an anderen Orten sich vor Gottes Angesicht stellen und sich fragen, was die Heiligkeit des Hauses Gottes von ihnen verlangt, werden sie zu dem Ergebnis kommen müssen, dass sie in ihrem Gewissen diesen Beschluss nicht annehmen können. Nicht die formale Macht des Beschlusses, sondern die moralische Macht des Wortes Gottes ist entscheidend.

Die Tatsache, dass eine Versammlung nicht unfehlbar ist, beinhaltet für sich selbst, dass sie keine bedingungslose Unterwerfung unter ihre Beschlüsse fordern darf, sondern dass sie zuerst dafür offenstehen muss, dass andere Versammlungen ihren Beschluss prüfen. Letzteres bedeutet nicht, dass im Fall eines Ausschlusses jeder sich auf die betreffende Versammlung stürzt, um zu sehen, ob man da wohl gut gehandelt hat. Nein, wir kennen einander, wir vertrauen einander, dass gute, auf der Schrift basierende Beschlüsse gefasst werden. Die Praxis lehrt, dass, wenn unrechtmässige oder zweifelhafte Beschlüsse gefasst werden, der Herr Unruhe entstehen lässt. Es wird darüber gesprochen, Fragen kommen auf, und dann ist es nötig, eine Untersuchung durchzuführen. Mit dem, was geschehen muss, wenn der Ausschluss in der Tat unrechtmässig ist, möchten wir uns im dritten Teil dieser Broschüre beschäftigen.

‘Binden und lösen’ von Versammlungen?

Wir haben uns mit dem Anerkennen eines Versammlungsbeschlusses bezüglich eines Gliedes einer örtlichen Gemeinde beschäftigt, aber wie ist es damit:
(1) wenn eine Versammlung unserer ‹berzeugung nach die Richtlinien für das Versammeln nach der Schrift verlässt, indem sie unschriftgemässe Dinge tut?
(2) wenn eine Versammlung sich strikt weigert, Böse aus ihrer Mitte hinauszutun?
Können wir dann weiterhin ruhig Gläubige aus solch einer Gemeinde oder Versammlung empfangen? Müssen wir solch eine Versammlung ‘ausschliessen’? Es muss doch etwas geschehen!?
Lasst es noch einmal gesagt sein, dass wir Matth. 18,18 hierauf nicht anwenden können, denn dort geht es darum, wie eine Gemeinde bezüglich einer Person in ihrer Mitte handeln muss.

Es gibt noch einen Grund, warum wir Matth. 18,18 und 1. Kor. 5,13 nicht anwenden können. Der Grund ist sehr deutlich, was Fall (1) betrifft. Er beinhaltet nämlich, dass wir alle Gläubigen in solch einer Versammlung zu ‘Pharisäern und Zöllnern’ erklären, oder auch dass wir alle jene als ‘Böse’ titulieren, mit denen wir keine Gemeinschaft haben können. Dass geht sicher nicht. Wir titulieren Gläubige in diversen Gruppen und Kirchen, die unserer ‹berzeugung nach nicht gemäss biblischer Richtlinien zusammenkommen, doch auch nicht als ‘Böse’, weil sie einen anderen kirchlichen Standpunkt als wir einnehmen?! Wir betrachten solch eine ‘Versammlung’ genauso wie einen Baptistenkreis usw. Wenn Gläubige aus solch einer Versammlung zu uns kommen, wenden wir als örtliche Gemeinde die Richtlinien für das Empfangen von Gläubigen an, die wir in Teil 1 besprochen haben und handeln nach dem Befund der Sache.

Im zweiten Fall liegt die Sache anders. Wie in Teil 1 gesagt, bin ich davon überzeugt, dass alle Glieder von solch einer Gemeinde für das ‹bel in ihrer Mitte mitverantwortlich sind und wir Gläubige aus solch einem Kreis nicht empfangen dürfen, wobei wir natürlich alles daran gesetzt haben müssen, diese Versammlung zur Einsicht zu bewegen. Den (theoretischen?) Fall, dass jemand meint, dort bleiben zu müssen, um mit Feuer und Schwert gegen das ‹bel zu widerstehen, um zu versuchen, noch eine Umkehr zum Guten bewirken zu können, lasse ich als Ausnahmefall ausserhalb unserer Betrachtung.
Aber ich füge wohl daran an, dass wenn Versammlung A den Kontakt mit Versammlung B abbricht, sie damit keinen Beschluss fasst, der selbstverständlich bindend für die Versammlungen an anderen Orten wäre; denn eine Versammlung hat lediglich Autorität am Ort. Wenn Gläubige aus solch einer ‘beschmutzten’ Versammlung zu ihr kommen, hat sie die Autorität und die Pflicht, sie abzuweisen. Und wenn Gläubige aus ihrer Mitte zu solch einer beschmutzten Versammlung gehen möchten, hat sie die Autorität, ihnen das zu verbieten. Die Dinge fallen in ihren Autoritätsbereich. Weiter geht die Autorität einer örtlichen Versammlung nicht.

Damit ist nicht alles gesagt. Die Versammlung in A hat durchaus die Verantwortung für die Gläubigen in C, D, E, usw., wenn sie über ein ‹bel in B informiert ist. Sie hat die moralische Pflicht, Andere von ihrem Befund zu informieren. Vielleicht werden andere Versammlungen erst noch selbst eine Untersuchung durchführen, aber wenn dort deutlich ein ‹bel (im Sinne von 1. Kor. 5,1-13 oder 2. Joh. 5-11) vorhanden ist, entstehen keine Probleme und nehmen die Versammlungen alle denselben Standpunkt ein. Wenn Versammlung A hingegen den Kontakt mit B abbricht, weil man dort Musik bei der Anbetung verwendet oder weil man auf eine bestimmte Weise ƒlteste anerkennt, dann entstehen sehr wohl Schwierigkeiten. Das sind nämlich keine Dinge, auf aufgrund derer man sagen kann, dass man nicht mehr gemäss den Richtlinien der Schrift versammelt ist. Man hat dann mit sehr anfechtbaren, persönlichen Auslegungen zu tun, die darüber hinaus das Wesen des Versammelns gemäss der Schrift nicht antasten. Man stellt dann sein eigenes Regelwerk auf.

Inkonsequente Handlungsweise

Obenstehende Darlegung wird für diejenigen schockierend sein, die es bis jetzt für selbstverständlich gehalten haben, dass Beschlüsse einer oder mehrerer Versammlungen (z.B. um den Kontakt mit einer bestimmten Versammlung abzubrechen) von allen Versammlungen in der ganzen Welt anerkannt werden müssen. Um ihnen die Augen für die Unrichtigkeit dieses Gedankens zu öffnen, möchte ich auf die total inkonsequente Art hinweisen, in der wir auf ‘überörtlicher Ebene’ handeln.

Angenommen, die Lehre sei richtig, dass die weltweite Gemeinde eine Einheit aller örtlichen Gemeinden sei, wie die örtliche Gemeinde die Einheit aller Gläubigen am Ort ist. Man kann es auch umdrehen, nämlich dass die überörtliche Einheit der Gemeinden ein Vorbild ist für die Einheit der Gläubigen örtlich. Wenn das so ist, dann muss es auch ein gemeinsames Bekenntnis all dieser Versammlungen geben. Dann muss jede örtliche Versammlung Mitverantwortung für dieses Bekenntnis tragen. Genauso wie es örtlich eine gemeinsame Verantwortung für ‘Zulassung’ und ‘Ausschluss’ von Personen gibt, so muss es dann auch eine gemeinsame Verantwortung aller Versammlungen in der ganzen Welt für das Eingehen oder Abbrechen ‘praktischer Gemeinschaft’ mit Versammlungen geben. Dies beinhaltet folgendes:
Wenn eine Gruppe Gläubiger ‘mit uns, als Versammlungen’ in ‘praktischer Gemeinschaft’ kommen möchte, muss in Rücksprache mit allen und im Namen aller Versammlungen in der Welt von Personen aus Versammlungen, die dazu angewiesen werden, weil sie das allgemeine Vertrauen haben, eine Untersuchung über die Vertrauenswürdigkeit dieser Gruppe Gläubiger durchgeführt werden. So geht es doch, wenn an einem Ort ein Gläubiger ‘in Gemeinschaft kommen möchte’!

Von diesem Besuch muss gegenüber allen Versammlungen in der ganzen Welt Verantwortung abgelegt werden, alle nötigen Erkundungen zur Urteilsfindung müssen durchgeführt werden und die Möglichkeit, Einwände vorzubringen, muss gegeben sein. So geschieht es doch bei einer örtlichen Gemeinschaftsfrage!
Wenn es örtlich (nach Konsultation von Brüdern und Schwestern) keine Einwände gibt, muss solch eine ‘Anwärter’-Versammlung im Namen aller Versammlungen zur weltweiten Gemeinschaft zugelassen werden.

Wenn es doch Einwände gibt, muss man mit der ‘Zulassung’ warten, bis durch Beratung Einstimmigkeit erreicht worden ist. Denke wieder an den örtlichen Ablauf der Dinge!
Nun, jeder weiss, dass der Ablauf der Dinge, der bei der örtlichen Zulassung eines Gläubigen eingehalten wird, bei der Zulassung von Versammlungen überhaupt nicht beachtet wird. Dieser gemeinsamen Verantwortung, die es nach dieser Auffassung über Gemeinde geben muss, wird nicht im Geringsten Genüge getan. In den meisten Ländern geschieht das nicht einmal landesweit.
Für das ‘Nicht-mehr-Anerkennen einer Versammlung’ gilt dies noch stärker. Aber auch hier wird nach keiner weltweiten, und meistens auch nach keiner landesweiten ‹bereinstimmung gefragt.

Undurchführbare Vorgehensweise?

Vielleicht wirft jemand ein, dass ein solches weltweites Bekenntnis undurchführbar ist. Das ist vollkommen richtig. Aber lasst uns dann bedenken, dass wenn solch ein Bekenntnis in unserer Zeit mit schneller Kommunikation nicht zu realisieren ist, es dann sicher auch nicht in der Anfangszeit der GEMEINDE möglich war, als diese sich über die ganze Welt ausbreitete.
Es geht nicht, dass man dann sagt: ‘wenn es nicht gehen kann, wie es gehen muss, dann muss es halt gehen, wie es gehen kann’, wobei wir dann unsere eigenen Methoden und Regeln einführen. Lasst uns lieber so ehrlich sein zu erkennen, dass unsere jahrelange Praxis, die nicht einmal einen Hauch von gemeinsamer Verantwortung erfüllt, gegen die unter uns gehuldigte Auffassung über die Einheit der Versammlungen zeugt.

Welche Gemeinschaft ist dass

Im Vorhergehenden ist der Ausdruck ‘Versammlungen, die mit uns in Gemeinschaft sind’ gefallen. Lasst uns diesen Ausdruck etwas näher ansehen. Was für eine ‘Gemeinschaft’ ist das denn? Was ist der Massstab für diese Gemeinschaft? In der Schrift ist keine Rede von ‘Gemeinschaft der Gemeinden oder Versammlungen’. Im Wort ‘Gemeinde’ ist der Begriff von ‘etwas gemeinsam haben’ enthalten. Auch das Wort ‘Versammlung’ beinhaltet diesen Gedanken, denn man ist zu irgend etwas versammelt; es gibt etwas, das einen zusammenbindet, aber dabei geht es stets um die Gemeinschaft, die die Gläubigen als Einzelpersonen miteinander haben. Wenn die Schrift über ‘Gemeinschaft’ spricht, geht es an erster Stelle um die Gemeinschaft, die wir als Gläubige mit dem Vater und dem Sohn haben, und an zweiter Stelle um die Gemeinschaft, die wir miteinander haben, aber nie um die Gemeinschaft, die wir als Versammlungen untereinander haben.

Wenn wir also über ‘Versammlungen, die mit uns in Gemeinschaft sind’ sprechen, dann ist das eine menschliche Formulierung. Wir müssen uns dann wohl fragen, das wir mit ‘in Gemeinschaft sein’ meinen; anders gesagt: was wir dann gemeinsam haben. Wir können das so formulieren, dass wir alle wünschen, uns allein nach den Regeln der Schrift zu versammeln. Wir müssen jedoch auch bedenken, dass die Regeln nirgends in gemeinsamer Besprechung aufgestellt wurden. Im Grossen und Ganzen gibt es ‹bereinstimmung, aber von Ort zu Ort und von Land zu Land gibt es doch Unterschiede. Das gilt z.B. für das Zulassungsbekenntnis. Wenn es um die früher angeführten Kriterien für Zulassung geht, können wir, was die Formulierung betrifft, ziemlich schnell eins werden, aber wenn es um eine genauere Beantwortung der Frage geht, wann jemand mit den Sünden eines Bösen Gemeinschaft hat, dann hat jede Versammlung so ihr eigenes ‘Kleingedrucktes’. Das bedeutet also, dass wir einander gegenüber ein grosses Mass an Verträglichkeit anstreben müssen, sonst machen wir aus jedem Unterschied eine Spaltung. Das bedeutet auch, dass die eine Versammlung das Bekenntnis einer anderen längst nicht immer teilt und sicher nicht, dass man sich dafür verantwortlich fühlt.

In bezug auf Versammlungen in anderen Ländern ist solch eine Verträglichkeit noch viel mehr gefragt. Je weiter sie von uns entfernt liegen, desto einfacher geht das. Je dichter sie bei uns liegen und je mehr wir Umgang miteinander haben, desto schwieriger ist es, mit den Unterschieden zu leben. Kurz gesagt: das Zusammenleben von Versammlungen ist eine Frage von gegenseitigem Vertrauen an das Festhalten an Gottes Wort und von Verträglichkeit bei unterschiedlichen Auffassungen untereinander.
Leider bestimmt (manchmal?) das ‘Kleingedruckte’, ob wir eine Versammlung (noch) als ‘mit uns in Gemeinschaft’ betrachten. Sollten wir das ‘Kleingedruckte’ nicht abschaffen?

Sie müssen sich uns anschliessen

Noch unlängst habe ich ein frappantes Beispiel von Gruppendenken erlebt. Ich hörte eine Ansprache von einem Band, bei der der Sprecher über Gläubige redete, die sich von der Römisch-Katholischen Kirche in ihrem Ort losgesagt hatten und sich nun nach der Schrift versammelten. So etwas achtete er sehr hoch. ‘Aber,’ sagte er, ‘wenn die Gläubigen zu der Entdeckung kommen, dass es Gläubige gibt, die schon länger als sie auf diese Weise zusammenkommen, dann haben sie die Pflicht, sich ihnen anzuschliessen.’ Als ich das hörte, dachte ich: Wem müssen sie sich anschliessen? ‘Uns’? Einer Gruppe von Versammlungen in der Welt? Wie geht das Anschliessen? Müssen sie mehr Bedingungen erfüllen, als allein die Tatsache, dass sie nach den Grundsätzen der Schrift zusammenkommen? Wo finden wir in der Schrift, dass Gemeinden, die entstanden waren, sich anderen Gemeinden an anderen Orten ‘anschliessen mussten’? Nirgends! Sobald man ein Werk Gottes entdeckte, freute man sich, und man fühlte sich mit solchen Gläubigen verbunden. Nun, sobald wir Gläubigen begegnen, die nach schriftgemässen Grundsätzen zusammenkommen, haben wir nichts mehr von ihnen zu fordern, aber wir haben die Pflicht, sie als solche anzunehmen.

Das Adressbuch

Eng verbunden mit dem Vorhergehenden ist die Erscheinung ‘Adressbuch’. In diesem Buch stehen die Adressen von Versammlungen, mit denen wir ‘in Gemeinschaft sind’. Das Buch darf nicht mehr sein, als ein praktisches Hilfsmittel. Wenn jemand beruflich oder im Urlaub an einen bestimmten Ort reist und er sich dort mit Gläubigen versammeln möchte, die nach biblischen Grundsätzen zusammenkommen, muss er an diesem Ort nicht auf Suche gehen. Wir geben ihm die betreffende Adresse und geben ihm ein Empfehlungsschreiben mit, und damit kann er in die Versammlung kommen.

Leider hat man diesem Buch mehr Bedeutung als diesen praktischen Wert zugewiesen. Es hat für viele eine Funktion bekommen, vor der sich die Brüder des letzten Jahrhunderts gefürchtet haben. Das Buch ist in ihren Gedanken ein autoritatives Organ geworden. Man meint dann, dass die Versammlungen, die darin stehen, die einzigen Versammlungen sind, wo der Herr in der Mitte sei. Nur dort sei der Tisch des Herrn. Das Buch kann jedoch lediglich über die Versammlungen, die darin stehen, etwas sagen, nicht über diejenigen, die nicht darin stehen.

Wenn wir der Auflistung in diesem Buch Autorität verleihen, begeben wir uns sehr deutlich aufs Glatteis. Mit welcher Autorität legen die Brüder, die das Buch zusammenstellen, fest, welche Versammlung darin aufgenommen wird und welche nicht? Handeln sie im Namen der Versammlungen in der ganzen Welt, im Namen der Versammlungen im Land oder schreiben sie aufgrund von Berichten, die sie von einigen Versammlungen oder Personen bekommen? Haben sie Autorität, jede Versammlung und jeden Gläubigen an ihre Meinung zu binden? Wenn wir aus dem Adressbuch ein autoritatives Organ machen, bekommen wir es mit den hier aufgeführte Fragen zu tun, deren Antwort in der Luft hängt.

Kurzum, es gibt kein Autoritätsorgan, das den örtlichen Versammlungen vorschreiben kann, was sie zu tun oder zu lassen haben. Schliesslich bestimmt jede Versammlung in Abhängigkeit vom Herrn, für welche Versammlung sie jemand ein Empfehlungsschreiben mitgibt und aus welcher sie eine Person mit Empfehlungsschreiben empfängt.

Wo die Schrift schweigt…

Um zu meinem Thema zurückzukommen: wo finden wir in der Schrift, dass es neben der Gemeinschaft der Gläubigen auch eine Gemeinschaft von Gruppen von Gläubigen gibt? Wenn wir einen solchen Kreis von Gemeinschaft ins Leben rufen, welches ‘Organ’ legt dann fest, welche Versammlungen dazugehören und welche nicht? Ein anderer Punkt: wenn Gläubige aus B, die in A zusammenkommen, in B selbst zusammenkommen möchten, wer sagt dann, dass sie dafür die Zustimmung der ‘Mutterversammlung’ brauchen?
Wo finden wir in der Schrift, dass eine örtliche Gemeinde (oder eine Gruppe von Gemeinden) Beschlüsse in bezug auf eine Gemeinde an einem anderen Ort fassen kann und dass sie solch einen Beschluss mehr oder weniger bindend anderen Gemeinden ‘aufzwingen’ kann? Die Schrift schweigt darüber in allen Sprachen. Nun, dann lasst uns vorsichtig mit dem ‘reden’ sein, wo die Schrift ‘schweigt’, und anderen nicht unsere Auffassungen aufzwingen.

Was ist im Fall unrechtmässiger Ausschlüsse zu tun?

Einstimmigkeit ist nicht immer gefordert

Bevor wir darüber sprechen, was wir im Fall unrechtmässiger Ausschlüsse tun müssen, ist es gut zu untersuchen, woran man solche Fälle erkennt. Ein Erkennungszeichen kann sein, dass in der betreffenden Versammlung keine Einstimmigkeit über den betreffenden Beschluss herrschte. Das heisst nicht, dass ein nicht einstimmig gefasster Beschluss automatisch unrechtmässig ist; es ist jedoch kein Beschluss der Versammlung. Einstimmigkeit bei der Beschlussfassung muss äusserstes Ziel sein, aber völlige Einstimmigkeit wird nicht immer gefordert. Für diese Aussage wird wohl angeführt, dass der beschuldigte Bruder oder die Schwester natürlich nicht mit seinem (ihrem) Ausschluss einverstanden ist und manchmal möchte man damit die Forderung nach Einstimmigkeit einschränken. Das ist jedoch das Anführen eines uneigentlichen Arguments. Der Beschuldigte ist im Augenblick der Behandlung wohl (noch) Glied der Versammlung, aber er hat in seiner eigenen Sache keine Beschlussbefugnis, er hat keine Stimme in diesem Fall.

Es kann jedoch auch geschehen, dass bestimmte Brüder und Schwestern nicht mit einem Beschluss zum ‘Ausschluss’ einverstanden sind, weil sie die betreffende Person bewusst verschonen möchten. Ich denke dabei an einen Fall, wo das Böse zwar deutlich ist, aber wo einige keine Zucht ausüben möchten. Lediglich in diesem Fall werden die anderen doch zum Handeln übergehen müssen. Aber es muss dann doch sehr deutlich sein, dass man bewusst gegen den Beschluss ist!

Es ist auch nicht so, dass in der Gemeinde eine Art Vetorecht herrscht. Eine Anmerkung wie: ‘Ich bin dagegen, und daher könnt ihr nichts beschliessen’ (ist vorgekommen), zeugt von einer rein fleischlichen Gesinnung. Man muss deutliche Argumente für seine Meinung vorbringen. Das gilt sowohl für Einwände gegen das ‘Aufnehmen’ von Gläubigen als auch für Einwände gegen einen ‘Ausschluss’.

Zusammenfassend gesagt: kein einzelner Gläubiger hat das Recht, seine Meinung den anderen aufzuzwingen, andererseits hat die Gemeinschaft kein Recht, über das Gewissen des Einzelnen zu herrschen. In Abhängigkeit vom Herrn und in guter Besprechung miteinander wird man zu einem Beschluss kommen müssen. Wenn jedoch kein einstimmiger Beschluss zustandekommt, kann das wohl ein Zeichen dafür sein, dass da etwas nicht stimmt.

Einstimmigkeit ist nicht ausreichend

Wenn eine Versammlung einstimmig beschliesst, jemand aus ihrer Mitte hinauszutun, bedeutet das andererseits noch nicht, dass ein solcher Beschluss richtig ist. Bestimmte Brüder können nämlich so dominieren und einer Versammlung derart ihren Stempel aufdrücken, dass die anderen sich jedem ihrer Beschlüsse anschliessen oder ihnen in allem selbstverständlich folgen. Man ist in der Tat unmündig (gemacht) geworden und daher unfähig, mitzubeschliessen. Geht es dann um einen Fall, bei dem ein Vergleich mit der Zucht in Israel, wie vorher dargelegt, nicht passt, kommen vielleicht Brüder und Schwestern in der eigenen Versammlung, gewiss aber in anderen Versammlungen, in Schwierigkeiten, weil sie mit ihrem Gewissen das ‘Todesurteil’ nicht unterschreiben können.

Schriftgemässe Gründe

Einstimmigkeit ist also in gewissem Rahmen ein Kriterium für die Richtigkeit des Beschlusses.
Ein anderes Kriterium ist der Grund, den man für den Ausschluss angibt. Der Grund muss in Gottes Wort verankert liegen, wobei 1. Kor. 5 und 2. Joh. richtungweisend sind. Wenn jemand ausgeschlossen werden soll, weil er seine Kinder in einen Sportverein gehen lässt oder etwas ähnliches, fehlt solch einem Ausschluss jede biblische Grundlage. Aber auch eine etwas andere Auffassung über lehrmässige Detailpunkte rechtfertigt einen Ausschluss nicht. Es muss wirklich um Dinge gehen, die in Israel unter Todesstrafe standen.

Was halten wir einem Ausgeschlossenen vor?

Wenn jemand, der meint, zu unrecht ausgeschlossen worden zu sein, zu uns kommt, tun wir gut daran, ihn erst auf seine Verantwortung hinzuweisen, nämlich sich selbst unter die Lupe zu nehmen und zu prüfen, wie es nur so weit kommen konnte, dass man beschlossen hat, ihn ‘aus der Mitte hinauszutun’. Das geschieht nicht einfach so. Auch wenn die Züchtigung nicht rechtens oder zu schwer ist, hat doch wohl immer etwas stattgefunden, das von dem Betreffenden als Sünde bekannt werden muss. Die Bereitschaft, Fehler zu bekennen, muss vorhanden sein, und die Fehler müssen auch tatsächlich von dem Betreffenden bekannt werden.
Auch wird ein solcher sich fragen müssen, ob er nicht warten und den Herrn bitten muss, dass Er eine Lösung herbeiführt. Dies ist die Verantwortung desjenigen, der meint, zu unrecht ausgeschlossen worden zu sein. Wie in solch einem Fall seelsorgerische Hilfe angeboten werden kann, lasse ich hier ausser Acht.

Was tun wir im Hinblick auf eine Versammlung, die jemanden zu unrecht ausschliesst?

Oft wird gesagt, dass man in einem unrechtmässigen Fall von Ausschluss alles ruhig dem Herrn überlassen muss. Er ist mächtig, etwas zu bewirken und die betroffene Versammlung zur Einsicht zu bringen. Nun klingt das sehr fromm, und es ist vielleicht auch gut gemeint, aber schliesslich kann dies auch eine sehr fleischliche Haltung sein. Man hat nämlich Angst vor einer landes- oder weltweiten Spaltung und opfert dann lieber jemanden als Schlachtopfer auf ‘dem Altar der Einheit der Brüderbewegung’. Gott ruft uns jedoch auf, recht zu tun und kein Unrecht zu tolerieren. Die grosse Frage ist jedoch, wie wir in einer solchen Sache handeln müssen. Wir haben, wie gesagt, kein einziges Beispiel im Neuen Testament, dass eine Gemeinde an einem Ort aufgerufen wird, sich in die Dinge einer Gemeinde an einem andere Ort einzumischen. Wir könnten auf einen möglichen indirekten Hinweis aus dem Alten Testament verweisen. Ich denke dabei an das gemeinsame Auftreten der Stämme Israels gegen den Stamm Benjamin im Zusammenhang mit dem moralischen Bösen (siehe Richt. 19 und 20) und das Auftreten gegen die zweieinhalb Stämme im Ostjordanland, als ein möglicher Abfall von dem Dienst für Gott sich abzeichnete (siehe Jos. 22).

Aber wir müssen dabei doch bedenken, dass wir die Stämme Israel nicht so mit unseren örtlichen Versammlungen heute vergleichen können. Darüber hinaus ging es da um eine gemeinsame Aktion des ganzen Volkes unter der Leitung Josuas im einen und in der Anwesenheit des Hohenpriesters Pinehas im anderen Fall. Es scheint mir sehr schwierig, in gleicher Weise in unserer Zeit aufzutreten. Im übrigen lasse ich es bei einigen vorsichtigen Hinweisen. Nun, eine erste Forderung ist, dass wir in Fällen, in denen Unruhe über einen Ausschluss entstanden ist, in tiefer Abhängigkeit vom Herrn und mit grosser Vorsicht ans Werk gehen müssen. Zu schnell urteilen, überhastet handeln ist immer, aber hier ganz besonders, fatal.

Bekommen Brüder mit einer solchen Sache zu tun, werden sie sich informieren, wie die Sache steht. Eine gute Untersuchung ist unabdingbar. Wenn es scheint, dass der Beschluss in der Tat unrechtmässig ist, wird man danach trachten, die betroffene Versammlung zur Zurücknahme ihres Beschlusses zu bewegen. Sind alle Versuche, dies zu erreichen, vergebens, wird man der betreffenden Versammlung mitteilen, dass man nicht hinter diesem ‘Todesurteil’ stehen kann, und wird man den Beschluss auch praktisch nicht anerkennen.

Wenn eine solche Situation eintritt, muss das meines Erachtens nicht bedeuten, dass man die Verbindung zu der betreffenden Versammlung abbricht. Ein verkehrter Beschluss für sich genommen disqualifiziert eine Versammlung noch nicht als Versammlung, die nach den Grundsätzen der Schrift zusammenkommt. Was die betroffene Versammlung tut, wenn andere Versammlungen ihren Beschluss nicht akzeptieren, liegt in ihrer Verantwortung. Wenn sie trotz der Meinung der anderen Versammlungen daran festhält, dass ihr Beschluss gut sei, wird sie von ihrem Standpunkt aus gesehen die Kontakte zu anderen Versammlungen, die den Beschluss nicht anerkennen, abbrechen müssen. Wenn sie das nicht tut, beweist sie dadurch, dass sie den Ausgeschlossenen nicht wirklich als Bösen ansieht, dessen Anwesenheit eine Versammlung verunreinigt.

Ausschlüsse, die sonnenklar falsch sind

Es gibt leider auch Fälle von Ausschluss, die sonnenklar falsch sind. Hierfür führe ich als Beispiel einen Ausschluss wegen des Gebrauchs von Musikinstrumenten bei der Verkündigung des Evangeliums an. Dasselbe gilt für einen Ausschluss, von dem bekannt ist, dass ein Grossteil gutgesinnter Brüder und Schwestern der Massnahme absolut nicht zustimmen können. Die Befürworter der Zuchtmassnahme waren nicht bereit, bis Gott Einstimmigkeit bewirkte, sondern drückten den Ausschluss durch. In solchen Fällen ‘rumort’ es in der Regel lange. Die Gefahr ist dann gross, dass man irritiert den Beschluss ohne weiteres beiseitelegt. Ich plädiere jedoch dafür, dies nicht zu tun und doch erst Kontakt mit der betreffenden Versammlung aufzunehmen, um – wenn möglich – eine Umkehr zum Guten zu bewirken. Wenn ein Bruder sündigt, haben wir die Pflicht, ihn zu ermahnen in der Hoffnung, ihn zurückzubringen. Sollten wir ein solches Verhalten übergehen, wenn es eine Versammlung betrifft, die einen falschen Beschluss fasst?

Wo bleibt die Einheit?

Bis jetzt haben wir als ‘geschlossene Versammlungen’ eine Art Einheit der Versammlungen bewahren wollen, indem wir die allgemeine Unterwerfung an Versammlungsbeschlüsse verlangten. Dieser Versuch ist im Lauf der Zeit jämmerlich fehlgeschlagen. Es sind weltweit Spaltungen entstanden, von denen zwar einige inzwischen wieder aufgehoben wurden, andere aber noch immer bestehen. Aber was mehr aussagt: die Schrift gibt dies nicht an als Weg, um die Einheit darzustellen. Zurecht könnte daher jemand fragen, wo die Einheit bleibt, wenn jede Versammlung für sich selbst Beschlüsse fasst. Wird dann nicht die Verwirrung auf die Spitze getrieben? Ich meine, dass die wirkliche Einheit der Gläubigen nur deutlich wird, wenn man zusammen wirklich auf Gottes Wort hört und sich der Leitung des Heiligen Geistes unterwirft. Wenn Versammlungen gut gesinnt und wirklich abhängig vom Herrn sind, möchten sie gerne in Harmonie miteinander leben. Dann finden keine unrechtmässigen Ausschlüsse statt; dann beginnt man, mit gutem Vertrauen die Beschlüsse voneinander zu beachten und dann fasst man keine Beschlüsse, die einander zuwiderlaufen. Geht jedoch das Fleisch ans Werk, wird keine einzige Einheit bewahrt, auch nicht die forcierte Einheit der Pflicht, jeden Versammlungsbeschluss anzunehmen.
Genauso wie die Schrift zeigt, dass jede Versammlung selbständig ist, was die Beschlussfassung zum Ausschluss betrifft, so ist jede Versammlung selbständig, was das Anerkennen von Versammlungsbeschlüssen betrifft. Aber das eine muss genauso wie das andere in Unterwerfung unter den Herrn geschehen. Dann geht es gut, und dann gibt es keine Probleme.

Was tun bei Spaltungen?

Es können sich örtliche Spaltungen hervortun: (a) weil eine Anzahl Gläubiger in einer örtlichen Gemeinde sich nicht vom Bösen trennen möchte. Andere Versammlungen werden dann jede für sich beschliessen, den Kontakt mit dieser Gruppe Gläubiger abzubrechen und keinen Gläubigen aus ihrer Mitte zu empfangen; und (b) durch anfechtbare Zuchthandlungen, Unversöhnlichkeit, das Aufeinanderprallen von Charakteren, dass Abklopfen unterschiedlicher Auffassungen usw. In solch einem Fall besteht die lebensgrosse Gefahr, dass die örtliche Spaltung eine landesweite, ja sogar weltweite Kluft verursacht. Sympathien, Familienbande usw. spielen dabei eine Rolle. Wie gesagt, ist das in der Vergangenheit allzu oft vorgekommen. Leider haben wir aus der traurigen Vergangenheit manchmal wenig gelernt.

In Fall (b) stellt man sich am besten über die Spaltung, indem man sich einfach weigert, Partei zu ergreifen. Zerbrechen die Gläubigen von einer der zwei Gruppen das Band mit den Versammlungen, die nicht ihre Partei wählen, ist das ihre Sache. Dann liegt die Ursache einer eventuell weitergehenden Teilung bei ihnen. Inzwischen haben die Versammlungen auf dem Kontinent, angefangen mit einem Brief dreier bekannter Brüder, diesen Standpunkt in bezug auf die Spaltung eingenommen, die in Tunbridge Wells in England zum Vorschein kam. Ein undeutlicher Fall von Zuchtausübung führte dort zu einer Spaltung. Es liess sich nicht verhindern, dass es zu einer weltweiten Trennung kam; denn diverse Versammlungen in England und Amerika stellten sich hinter die Partei, die den Ausschluss befürwortete und brachen die Kontakte mit den Versammlungen, die den ‘neutralen’ Standpunkt einnahmen, ab. Eine Spaltung auf dem europäischen Kontinent liess sich hingegen vermeiden.

Bei der Beurteilung der Situation an einem Ort, ob im Fall (a) oder im Fall (b), können Gläubige (am besten unter Rücksprache mit ‘ihrer’ Versammlung) die Sache selbst untersuchen oder sich auf ein Urteil Anderer stützen, die die Sache untersucht haben. Oft werden das Brüder aus den umliegenden Versammlungen sein, aber das ist sicher keine teure Pflicht. Man kann sich auch, wie im Fall von Tunbridge Wells, auf das Urteil vertrauenswürdiger weiser Brüder und Zwester stützen.

Es bleibt stets eine Sache von Vertrauen, das man in die geistliche Gesinnung derjenigen Brüder hat, die die Sache untersuchen. Wenn diese ein deutliches Zeugnis abgeben können, dass dort fundamental Böses vorliegt, wird es nicht so schnell eine Versammlung geben, die hier einen abweichenden Standpunkt einnimmt. Ebensowenig wird da die Gefahr weiterer Teilungen sein, wenn die untersuchenden Brüder zu der Schlussfolgerung gelangen, dass es keinen Grund für eine Spaltung gibt und sich weigern, eine Partei zu wählen. Wenn jedoch ein deutlicher Bericht kommt und die Untersucher dennoch Partei für eine der beiden Gruppen nehmen, schwört man Schwierigkeiten herauf. Auch hier ist Geduld, Warten auf Deutlichkeit, die der Herr schenken möchte, unabdingbar.

Einheit ist keine Uniformität

Einheit darf nie auf Kosten der Wahrheit erreicht werden, sondern dort, wo die Wahrheit auf dem Spiel steht, müssen wir – koste es was es wolle – danach trachten, die Einheit der Gläubigen in der Praxis zu bewahren. Es ist ebenso sehr hervorzuheben, dass Einheit nicht dasselbe wie Uniformität ist. Es geht nicht in allen Gemeinden gleich zu. So sitzen in der einen Versammlung Männer und Frauen getrennt, in der andere sitzen sie gemischt. Am einen Ort hat man die Feier des Abendmahl morgens und die Wortbetrachtung nachmittags, am anderen Ort hat man beide direkt nacheinander. Soweit möglich singt man landesweit aus demselben Liederbuch, aber das ist auch keine Forderung.

In ‘Prüfe es nach, Nr. 1’ habe ich bereits auf einen Unterschied hingewiesen, der sich in biblischen Zeiten abgezeichnet hat. Es gab nämlich einen grossen Unterschied in der Verhaltensweise zwischen denen aus den Juden und denen aus den Heiden, wobei es um die Einhaltung des Gesetzes ging (siehe Apg. 15). Trotz dieser Unterschiede gab es jedoch ein gemeinsames Band im Herrn und bewahrte man die Einheit der Gläubigen untereinander.

In unserer Zeit treten manchmal auch bezeichnende Unterschiede auf. In England z.B. wird jemand, der Alkohol trinkt in der Regel nicht zum Abendmahl zugelassen und auch jemand, der raucht, nicht. In anderen Ländern, denk an Frankreich, wird vielfach bei jeder Mahlzeit Wein getrunken.
Von einem merkwürdigen, aber lehrreichen Fall hörte ich einmal in Bezug auf eine Versammlung, wo Weisse und Schwarze zusammenkamen. In einem bestimmten Moment brachten die Schwarzen Brüder vor, dass sie lieber getrennt zusammenkommen wollten. Sie fühlten sich in der Ausübung ihres Glaubens gehemmt zwischen den Weissen, die sich so feierlich verhielten. Umgekehrt rief ihre enthusiastische Glaubensäusserung bei den Weissen Befremden hervor. Es ist damals keine Spaltung entstanden, glücklicherweise nicht. Man empfing einander gegenseitig, aber in der ‘Versammlung der schwarzen Brüder und Schwestern’ geht es viel ‘farbiger’ zu als dort, wo die Weissen zusammenkommen. Aber ist das schlimm? Doch sicher nicht! Mit aller Vorsicht füge ich hinzu, dass in diesem Fall hoffentlich kein Unterton von Rassentrennung im Spiel war.

Dies könnte auch bei uns einmal in den Fällen eine praktische Lösung sein, wo die Glaubensausübung untereinander sich noch unterscheidet, wodurch Spannungen hervorgerufen werden. Solche Situationen kommen nämlich vor. Ich propagiere einen solchen Gang der Dinge sicher nicht. Es ist viel mehr schriftgemäss, einander Raum zu geben und dadurch die Spannungen zu vermindern und sich weiterhin miteinander zu versammeln. Aber wenn das nicht gelingt, rate ich eher zu einer derartigen Lösung, als dass die Gläubigen, die eine soche Spannung nicht aushalten können, eine Zuflucht bei anderen Gruppierungen suchen.

Möge der Herr die in dieser Broschüre gegebenen ‹berlegungen gebrauchen, um doch sehr vorsichtig zu sein mit der ‘Zucht’ durch ‘aus-der-Mitte-hinaustun’ und diese lediglich dort anzuwenden, wo sie gemäss der Schrift geschehen soll. Lasst uns in Fällen der Unsicherheit mit äusserster Vorsicht handeln, aber andererseits uns nicht schämen, (nach allen Seiten hin) recht zu handeln, wenn dort unrecht gehandelt wird. Niemand verlasse eine Versammlung, weil er mit einem bestimmten Kurs nicht einverstanden ist, obwohl von tatsächlich Bösem keine Rede ist. Gebt weiterhin örtlich Ausdruck von der Einheit der Gläubigen als Leib Christi und versucht, aufkommende Spannungen durch gute ‹berlegung in Liebe und Eintracht zu bezwingen.

Gerne singen wir das Lied: ‘Wie schön, o Gott, ist die Einheit deiner Kinder. Wie kostbar ihre Gemeinschaft in deinen Augen.’ Lasst die Einheit der Gläubigen, die Einheit der Gemeinde als Leib Christi, die Einheit der Herde auch uns kostbar sein. Mögen wir vor Spaltungen und Uneinigkeiten über Fragen, die kein Grund für die Aufhebung von Gemeinschaft sein dürfen, bewahrt werden. Lasst uns bewusst sein, dass das Nichtbewahren der Einheit Sünde ist.

Zusammenfassung:

Der Leib Christi ist keine Darstellung von der Einheit der Gemeinden oder Versammlungen, sondern der Gläubigen. Anders gesagt: Es gibt eine überörtliche Einheit, aber die wird durch die individuellen Gläubigen auf der ganzen Welt gebildet.

Eine Versammlung hat am Ort Autorität, zu binden oder zu lösen. Sie ist, was das Fassen von Beschlüssen betrifft, unabhängig von anderen Versammlungen, aber abhängig von dem Herrn und seinem Wort. Weil eine Versammlung nicht unfehlbar ist, kann sie mit ihren Beschlüssen nicht automatisch die Autorität des Herrn verbinden und von anderen Versammlungen die Anerkennung ihrer Beschlüsse fordern. Matth 18,18 gibt auch keinen Grund, dies zu tun. Es geht dort um das Fassen von rechtmässigen Beschlüssen.

Andere Versammlungen sind für den Beschluss einer örtlichen Versammlung nicht verantwortlich, aber wohl für das Anerkennen oder Nichtanerkennen dieses Beschlusses. Normalerweise werden sie einen Ausgeschlossenen nicht empfangen, weil sie darauf vertrauen, dass die betreffende Versammlung ihren Beschluss in Abhängigkeit vom Herrn gefasst hat und der Ausgeschlossene tatsächlich ‘ein Böser’ ist.
Versammlung A kann den Beschluss fassen, Gläubige aus Versammlung B nicht zu empfangen, weil in B Böses geduldet wird. Sie kann auch Gläubigen aus ihrer Mitte verbieten, nach B zu gehen. Sie hält sich dann an ihren eigenen Autoritätsbereich. Sie kann auf diesen Beschluss nicht das ‘Binden und Lösen’ aus Matth. 18,18 anwenden, denn dort geht es lediglich um das Binden und Lösen von Personen. Ebensowenig kann sie für andere Versammlungen beschliessen, dass diese auf dieselbe Weise wie sie mit Versammlung B handeln müssen.

Die Schrift kennt keine ‘Gemeinschaft der Gemeinden’, sondern nur die Gemeinschaft der Gläubigen. Sie kennt auch überhaupt nicht einen ‘separated circle of fellowship’ (‘abgesonderten Kreis der Gemeinschaft’) von Versammlungen. Wenn es diesen doch gäbe, wären alle Versammlungen auf der ganzen Welt für Beitritt oder Verweigerung aus dem Gemeinschaftskreis verantwortlich und müssten dafür zu einem einstimmigen Beschluss kommen. Keine einzige Versammlung oder Gruppe von Versammlungen kann für die Gesamtheit beschliessen. Eine derartige Handlungsweise ist praktisch nicht realisierbar und findet auch keine Unterstützung in der Schrift.

Die Einheit wird in der Praxis nicht dadurch verwirklicht, dass Einheitskreise ins Leben gerufen werden und zwangsmässige Anerkennung von Beschlüssen gelehrt wird, sondern dadurch, dass Gläubige, die sich zum Namen des Herrn versammeln, sich durch das Wort Gottes und durch den Heiligen Geist leiten lassen.

Das Bewahren der Einheit des Geistes

Dieser Punkt (f) bringt mich dazu, noch einen Abschnitt über das Bewahren der Einheit des Geistes hinzuzufügen. Dieser Ausdruck hat leider ein Eigenleben bekommen. Man vergisst, dass er in folgendem Kontext steht: ‘Mit aller Demut und Sanftmut, mit Langmut, einander in Liebe ertragend, euch befleissigend, die Einheit des Geistes zu bewahren durch das Band des Friedens.’ (Eph. 4,2.3)
Lehrmässig wird dabei deutlich gemacht, dass wir keine Einheit hervorbringen müssen, sondern dass wir die Einheit, die bereits existiert, zu bewahren haben. Die Worte, die diesem vorausgehen, werden nicht vollkommen vergessen, aber wohl stark unterbewertet. Dies kam, weil man das Bewahren der Einheit zu einer formalistischen Angelegenheit gemacht hat. Man verwechselte das Bewahren der Einheit mit der Auflage der Uniformität. Alles, was von der allgemeinen Richtlinie abwich, wurde als fleischlich und zur Unehre des Herrn verurteilt. Es wurde manchmal rigoros dagegen vorgegangen. Für die Ehre des Herrn wurde in dem Geist gestritten, in dem die Kreuzväter ihr ‘Gott-will-es’ zur Sprache brachten. Die Demut, Sanftmut, Langmut und Liebe traten dabei in den Hintergrund. Die formalistische Forderung der Unterwerfung unter einen Versammlungsbeschluss, zu welchem Preis auch immer, erstickte sowohl den Sinn von Begriffen, die nota bene dem Ausdruck ‘die Einheit des Geistes bewahren’ vorangingen, als auch die Segnungskraft der Worte ‘im Band des Friedens’. Allen guten Zielen zum Trotz handelte man fleischlich, während man meinte, auf dem Weg des Geistes zu wandeln. Wie schon früher gesagt, wurden Gläubige, die nicht genau in der Spur liefen, auf diesem Einheitsaltar geopfert. Wir – ich sage dies sehr bewusst, denn wir alle haben hier unsere Finger im Spiel – vergassen, dass das Bewahren der Einheit des Geistes nicht eine formelle, sondern eine moralische Frage ist. Es bedeutet, im Glauben in Liebe zusammen Gottes Wort zu hören und ihm gehorsam zu sein, wobei wir untereinander in Eintracht sind, wenn es um Unterschiede geht, die nicht von fundamentaler Art sind.

‘Darum nehmt einander an, wie auch Christus euch angenommen hat zur Herrlichkeit Gottes.’ (Röm. 15,7)
‘Mit aller Demut und Sanftmut, mit Langmut, einander in Liebe ertragend, euch befleissigend, die Einheit des Geistes zu bewahren durch das Band des Friedens.’ (Eph. 4,2.3)
Weil man sich damals vielfach in einzelnen Häusern versammelte, kann das beinhaltet haben, dass so jemand auch nicht mehr zur Zusammenkunft der Gemeinde zugelassen wurde. Ob wir dies auch in Bezug auf Räumlichkeiten durchführen können, lasse ich offen.
Es ist merkwürdig, dass in 1. Kor. 11,21, nachdem über das Trinken des Kelches gesprochen worden ist, nicht mit ‘essen der Brotes’ fortgefahren wird, sondern mit ‘teilnehmen am Tisch des Herrn’. Es geht mir zu weit, daraus den Schluss zu ziehen, dass allein das Essen des Brotes ausdrückt, dass wir am Tisch des Herrn teilnehmen. Wohl wird im Brotessen (mehr als im Weintrinken) deutlich, dass wir an einer Mahlzeit und an einem Tisch teilnehmen. Andererseits unterstützt diese Vorstellungsweise den Gedanken, dass teilnehmen am Tisch des Herrn nicht nur das Empfangen von Segnungen andeutet, sondern auch auf eine Handlung hinweist, die wir hier auf der Erde verrichten.

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