SCHWEIGEN IN DEN GEMEINDEN
Zum Thema: Öffentliche Beteiligung von Schwestern durch Liedervorschlagen und Beten
PRüF ES NACH Teil A
Fijnvandraat J.G. en Kramer G.H.
Originaltitel: Zwijgen in de gemeenten
der holländischen Ausgabe1998 durch J.G. Fijnvandraat en G.H. kramer
der deutschen Ausgabe 1998 (?) durch J.G. Fijnvandraat en G.H. kramer
Druck: Biester & Abbes, Almelo
Distribution : Wim Hoddenbagh, Die Bücherstube,
Nordallee 14, D-54292 Trier, Tel.. 0651/26555
Übersetzung: Dietmar Propach, Waldbröl
ZIELGRUPPE
Die ‘Prüf es nach’-Reihe richtet sich an Gläubige, die in der Christenheit als ‘die Brüder’ bekannt sind. Sie wollen diesen Namen jedoch auf keinen Fall als Bezeichnung einer Gruppe führen, sondern achten jeden Gläubigen als Bruder oder Schwester im Herrn Jesus Christus. Als ‘Gruppe’ werden sie wohl als ‘Christliche Versammlung’ bezeichnet, aber auch diesen Namen wollen sie nicht als eine Abgrenzung von anderen Gläubigen verwenden. Wenn sie zusammenkommen, wollen sie das tun als eine ‘Versammlung von Gläubigen’; nicht mehr und nicht weniger.
Im persönlichen Glaubensleben herrscht immer eine gewisse Unausgewogenheit zwischen Grundsatz und Praxis. Wir wissen, was Gott von uns verlangt, aber in der Praxis handeln wir nicht hundertprozentig danach. Darum müssen wir immer wieder durch das Wort Gottes angefeuert, ermahnt und korrigiert werden. Dasselbe gilt für jede christliche Gruppe, auch für die oben genannte. Zwischen den Grundsätzen, die man bekennt, und deren praktischem Erleben herrscht die gleiche Unausgewogenheit. Auch hier muß man angefeuert, ermahnt und korrigiert werden. Im Hinblick darauf erscheinen in dieser Schriftenreihe einige Broschüren, die als Prüfstein für das ‘eigene’ Publikum gedacht sind.
Der Titel dieser Reihe wurde als Ansporn gewählt, mit dieser Schriftreihe dasselbe zu tun, was die Juden in Beröa damals mit dem taten, was Paulus ihnen verkündigte. Sie nahmen es nicht einfach so an, sondern untersuchten die Schriften, ‘ob sich die Dinge so verhielten’ (Apg 17,11).
VORWORT
In dieser ‘Prüf es nach’-Reihe sind bisher erschienen:
Teil 1: Mit welchen Gläubigen feiern wir das Abendmahl;
Teil 2: Anerkennung von Zucht in der Gemeinde.
Teil 3a: Zu IHM hinausgehen, außerhalb des Lagers;
3b: Abstehen von der Ungerechtigkeit.
Ein vierter Teil mit dem Titel: ‘Absonderung, das Dilemma der Brüderbewegung’, ist in Vorbereitung.
In den oben genannten Broschüren wird Stellung bezogen zu Abweichungen nach rechts, die sich im Lauf der Jahre in die zuvorgenannte Bewegung eingeschlichen haben.
Wir haben es jedoch nicht allein mit Abweichungen in diese Richtung zu tun, sondern auch mit (drohenden) Abweichungen nach links (vergl. 5.Mo 5,32; 2.Kö 22,2; 2Chr 34,2). Auf eine solche Erscheinung, die in ‘unserer’ Mitte auftritt, möchten wir in diesem Teil eingehen. Nämlich darauf, daß es beim Zusammenkommen ‘als Gemeinde’ den Schwestern gestattet wird, Lieder vorzuschlagen und Gebete zu sprechen.
Aus zwei Gründen sprechen wir von ‘Prüf es nach’ Teil A. Der erste Grund ist, daß in diesem Teil ein andersartiges Thema besprochen wird als in den bisher erschienenen. Es handelt sich ja hier nicht um Abweichungen nach rechts, sondern um solche nach links. Der zweite Grund ist, daß diese Broschüre, im Gegensatz zu den anderen, von zwei Verfassern erarbeitet wurde.
EINLEITUNG
In der Christenheit wird schon jahrelang über die Frage diskutiert, was Schwestern in der Gemeinde tun dürfen und was sie nicht tun dürfen. In kirchlichen Kreisen spricht man dann von ‘der Frau im Amt’. Angesichts der Tatsache, daß man den Dienst am Wort mit dem Predigtamt verbunden hat, gibt das in diesen Kreisen immer Anlaß zu verfahrenen Diskussionen. Die Schrift kennt nämlich kein ‘Predigtamt’.
Auf dieses Thema sind die Brüder Fijnvandraat in anderen Broschüren ausführlich eingegangen, nämlich in der ‘Toets’-Reihe ( Deutsch: ‘Probe”-Reihe)und davon in Teil 8, der den Titel trägt: ‘De vrouw in het ambt’ (Deutsch: ‘Die Frau im Amt.’). Wir brauchen das darin zur Sprache gebrachte hier nicht zu wiederholen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, daß die Schrift unterscheidet zwischen:
- dem ‘Amt’ oder besser ‘Tätigkeit’ von ‘Ältesten’ und ‘Diakonen’, die mit Ordnung und Aufsicht in der Gemeinde als dem Haus Gottes zu tun haben, und
- dem Ausüben von ‘Gaben’, was sich auf den Aufbau und die Funktion der Gemeinde als Leib Christi bezieht.
Daß das ‘Amt’ des Ältesten und des Diakons für Schwestern nicht ‘zugänglich’ ist, wurde unserer Meinung nach in ‘Toets’ Teil 8 (Deutsch:’Probe’-Reihe) deutlich genug ausgeführt. Es ist jedoch nicht schwierig aufzuzeigen, daß Schwestern genau so gut Glieder des Leibes Christi sind wie Brüder und daß sie somit ‘eine Gabe’ besitzen. Und… der Besitz einer Gabe beinhaltet die Verantwortung, die Gabe zum Nutzen der Gemeinde in die Praxis umzusetzen. Leider müssen wir anerkennen, daß die Tatsache, daß alle Schwestern genauso wie die Brüder eine Gabe besitzen, in der Vergangenheit viel zu wenig berücksichtigt wurde.
Das Problem, worauf wir eingehen wollen, ist also nicht, ob Schwestern eine Gabe haben. Es beschränkt sich auch nicht auf die Frage, wo sie diese Gabe ‘ausüben’ oder ‘nicht ausüben’ dürfen, denn das Vorschlagen eines Liedes, das Sprechen eines Gebets oder das Vorlesen eines Abschnitts aus der Schrift (um das hierbei auch zu nennen) hat nichts mit dem Ausüben einer ‘Gabe’ zu tun.
Worum es uns geht ist die Frage, ob eine Frau in der Zusammenkunft öffentlich am Dienst teilnehmen kann und sich somit auf die gleiche (‘uneingeschränkte’) Weise äußern darf wie ein Mann.
Oder anders gesagt: Wieweit geht das ‘Schweigen’, worüber der Apostel Paulus in 1.Kor 14,34 spricht und das ‘Still sein’, das er in 1.Tim 2,12 anspricht?
Wir möchten noch zurückkommen auf die Frau im Amt. Dieses Problem steht in verschiedenen Kreisen schon nicht mehr zur Diskussion, in anderen wird noch lebhaft darüber debattiert. Die Frage, ob Schwestern sich auch öffentlich an den Zusammenkünften beteiligen dürfen (genauso wie die Brüder), ist in verschiedenen freikirchlichen Gruppen und evangelischen Kreisen noch nie ein Streitpunkt gewesen, oder ist es nicht mehr: Es wird einfach praktiziert.
In der ‘Brüderbewegung’ war dies bis vor kurzem auch keine Frage, aber hier mehr in dem Sinn, daß man es ohne weiteres für unbiblisch hielt, wenn sich eine Schwester in der Zusammenkunft der Gemeinde äußert: sie hatte zu schweigen.
In der jüngsten Zeit hat sich das jedoch geändert. In einer bestimmten Versammlung in den Niederlanden wird es Schwestern erlaubt, Lieder vorzuschlagen und Gebete zu sprechen, und in einige anderen Versammlungen hat das Nachahmung gefunden. Sowohl mündlich als auch schriftlich haben wir, die Verfasser, gegenüber der einen Versammlung unsere Bedenken geäußert und ihre Argumente widerlegt.
Wir bemerkten dabei, daß es hier nicht mehr um das Umkehren zu biblischen Grundsätzen ging, denen wir in der Praxis nicht mehr genügten, sondern um die Einführung von Dingen, die unter uns noch nie zur Debatte standen. Nun mag Letzteres noch kein Grund sein, um alles immer so zu lassen, wie es schon immer gewesen ist. Aber wenn man meint, daß die Bibel etwas anderes lehrt, als was wir bis jetzt befürwortet und praktiziert haben, dann müssen das Dinge sein, die klipp und klar anhand der Schrift aufgezeigt werden können. Wenn es jedoch um zweifelhafte, neue Auffassungen geht, dann sagen wir mit Bezug auf einen Verkehrsslogan, der das Überholen von Autos betrifft: ‘Im Zweifelsfall…nie’.
Wir haben seinerzeit davon abgesehen, von unserer Ausarbeitung eine für jedermann zugängliche Veröffentlichung zu machen. Die Frage war aber damals noch nicht aktuell. Mit einer Veröffentlichung hätten wir ‘schlafende Hunde’ geweckt, und das hätte zu einer unnötigen Diskussion führen können. Inzwischen wird dieses Thema jedoch auf breiter Ebene diskutiert. Und immer öfter hört man die Bemerkung: ‘Ja, warum auch eigentlich nicht?’ Man verlangt dann nicht wirklich nach deutlichen Argumenten, im Gegenteil, tatsächlich hat man seinen Standpunkt schon eingenommen. Andere erklären daß für sie die Sache (noch) nicht kl ar ist, und unterstützen dadurch ungewollt eine tolerante Haltung zu diesem Problem.
Diese Entwicklung weckte in uns die Überzeugung, daß wir uns nicht länger schweigend verhalten können, sondern den Geschwistern eine ‘Handreichung’ geben müssen, die darin besteht, daß wir:
A. den Kern des Problems skizzieren;
B. die Argumente, die für die betreffende Auffassung angeführt werden, anhand der Schrift prüfen (dies natürlich nach der Sicht, die wir in dieser Sache haben);
C. und die möglichen Haltungen, die bei bleibender unterschiedlicher Meinung in diesem Punkt eingenommen werden können, in Augenschein nehmen.
Als Basis für diese ‘Handreichung’ dient die Ausarbeitung, auf die wir im vorigen Abschnitt hingewiesen haben.
A. Der Kern des Problems
Worin wir mit anderen übereinstimmen
Bevor wir beginnen, über die Unterschiede zu sprechen, wollen wir erst zeigen, worin wir mit anderen übereinstimmen. Es ist immer schöner, sich mit den Gemeinsamkeiten als mit den Unterschieden zu beschäftigen, aber um Letzeres kommt man in diesem Fall nicht herum. Nun, soweit uns bekannt ist, stimmen alle, die landesweit in unserer Mitte einen Dienst verrichten, darin überein, daß eine Schwester in der Gemeinde nicht lehren und keine Stellung von Autorität und Leitung einnehmen soll.
Die Aussage von 1.Tim 2,11.12 ist zu absolut und die Anweisungen, die das Aufseheramt betreffen, sind zu deutlich, um eine andere Auslegung in Erwägung zu ziehen. So wie wir an dem Gebot, daß wir nicht stehlen sollen, nicht herumdeuten dürfen, genauso wenig dürfen wir es mit dieser Vorschrift tun, die das Lehren und Regieren durch Schwestern betrifft. Wenn man das aber doch tut und Schwestern erlaubt, die Aufgabe eines Aufsehers oder Ältesten auszuüben, dann können wir nicht mehr von Unterschieden in der Auslegung sprechen, sondern müssen es Ungehorsam der Schrift gegenüber nennen.
Worum geht es?
Neben oben angeführter Übereinstimmung gibt es jedoch Meinungsunterschiede über die Auslegung von 1.Kor 14,34. Wir erkennen folgende Standpunkte:
(a) Es gibt unter uns solche, die meinen, daß sich dieser Vers allein auf das ‘Lehren’ durch Schwestern bezieht und nicht auf das Vorschlagen von Liedern oder Sprechen von Gebeten und die deshalb den Dienst der Schwestern vertreten oder zumindest zugestehen.
(b) Andere wägen für sich selber das Pro und Kontra gegeneinander ab, aber halten es für unweise, daß in den Versammlungen darüber gestritten werden soll. Aus diesen Gründen sind sie gegen die Einführung der betreffenden Praxis.
(c) Weiterhin gibt es solche, die wohl einen Blick für die Problematik haben, aber die die Gegenargumente für stärker halten als die Argumente, die dafür sprechen.
(d) Zum Schluß gibt es noch Brüder, für die es bei Meinungsunterschieden über diesen Punkt überhaupt nichts zu besprechen gibt: Schweigen ist Schweigen und das, was dafür spricht, betrachten sie als rein menschliche Überlegungen.
Bei der Beurteilung dieser Standpunkte müssen wir bedenken, daß man für fast jede Meinung, die ein biblisches Thema betrifft, Argumente aus der Schrift anführen kann. Genauso gut kann man Gegenargumente anführen. Die Frage ist nicht, ob man für eine bestimmte Meinung auch Argumente bringen kann, sondern ob diese (eventuellen) Gegenargumente überwiegen. Unser Kommentar zu den oben genannten Standpunkten ist dann auch der folgende:
zu (a): Wir halten es lehrmäßig für unverantwortlich, diese Meinung zu propagieren. Die Argumente, die dafür sprechen, sind nach unserer Überzeugung viel zu schwach. Diese Dinge einzuführen, halten wir zudem für fatal, was den Umgang der Versammlungen untereinander betrifft. Es geht in 1.Kor 14 um ein sehr allgemein aufgestelltes Gebot des Herrn. Man muß dann schon sehr gute Argumente haben, um hier zwei Ausnahmen zu diesem Gebot zu konstruieren, nämlich das Beten und das Vorschlagen von Liedern. Bei einem Gebot des Herrn muß die Frage zu allererst sein: „Bei welcher Handlungsweise weiß ich sicher, daß ich dieses Gebot in keinem Fall übertrete?“ Wer zweifelt, sollte nicht ‘überholen’ und nicht das Risiko eingehen, ein Gebot des Herrn zu übertreten, indem er Ausnahmen macht, von denen er nicht hundertprozentig überzeugt ist, daß sie gemacht werden dürfen.
zu (b) Wir wollen davon ausgehen (das gilt auch für (a) ), daß diese Brüder wirklich Mühe mit der seit jeher vertretenen Meinung haben und daß sie sich dabei nicht durch fleischliche Motive und rein menschliche Überlegungen leiten lassen. Die Gefahr für menschliche Überlegungen ist jedoch sehr groß. Außerdem können Zweifel an der bisher unter uns vertretenen Auffassung sehr leicht bei anderen den Eindruck wecken, daß man für Meinung (a) freie Bahn schafft.
zu (c) Tatsächlich nehmen wir diesen Standpunkt ein.
zu (d) Wir können die Haltung der unter (d) gemeinten Brüder wohl nachvollziehen, aber wir meinen, trotz unserer Bedenken die Pro-Argumente doch ernsthaft überprüfen zu müssen. Wir können uns vorstellen, daß die, welche die Auffassung (d) vertreten, dies völlig oberflächlich und vielleicht sogar ‘schlapp’ finden. Wir müssen jedoch bedenken, daß nirgendwo mit sehr vielen Worten davon gesprochen wird, daß eine Schwester in der Zusammenkunft kein Lied vorschlagen und kein Gebet sprechen darf. Das bedeutet dann, daß wir für unsere Auffassung von Argumenten abhängig sind, die bestimmten biblischen Aussagen entnommen sind. Aber das beinhaltet auch, daß Argumente dagegen einzubringen sind, und wir müssen bereit sein, diese Argumente zu prüfen.
Dazu wollen wir nun übergehen. Wir geben dabei stets die Pro-Argumente an – also die Argumente, die angeführt werden von denen, die es den Schwestern zugestehen wollen, Lieder vorzuschlagen und laut zu beten – und zwar in kursiver Schreibweise und geben dann darunter unseren Kommentar dazu. Manchmal machen wir dann auch eine Korrektur ‘nach rechts’.
Bemerkung: Wir sind uns bewußt, daß nicht alle hier besprochenen Argumente gleich schwer wiegen und daß nicht alle Befürworter der von uns abgelehnten Praxis alle diese Argumente benutzen.
B. Prüfung der Argumente
(1a) Das Still-sein, worüber 1.Tim 2,11.12 spricht, bezieht sich auf ‘nicht lehren’ und auf ‘nicht über den Mann herrschen’. Es hat nichts zu tun mit Beten oder Lieder vorschlagen. Im Gegenteil, Vers 9 beinhaltet, daß Frauen in dezenter Aufmachung beten sollen. Das Wort ‘ebenso’ bezieht sich auf das Beten der Schwestern.
Kommentar:
Der Gedanke, der schon mal geäußert wird, daß Paulus in diesem Kapitel für Männer und Frauen gesonderte Gebetsvorschriften gibt (die Männer sollen öffentlich beten, indem sie heilige Hände aufheben, die Frauen in passender Kleidung), ist sprachlich unhaltbar. Von dem Hauptverb ‘ich will’ in Vers 8 sind zwei parallele Konstruktionen abhängig, die in der Telos-Übersetzung zurecht als ‘daß-Sätze’ wiedergegeben werden. Der Abschnitt über die Kleidung der Frauen hat somit auch nichts mit Beten zu tun.
Da steht also nicht: ‘ebenso (will ich), daß die Frauen beten in würdiger Kleidung’, sondern: ‘ebenso (will ich), daß die Frauen sich schmücken in würdiger Kleidung . Aus diesem Abschnitt können wir also nicht folgern, daß Frauen in der Zusammenkunft der Gemeinde laut beten dürfen.
Aus der Tatsache, daß hier nicht über das Beten der Schwestern gesprochen wird, darf ebensowenig das Umgekehrte abgeleitet werden, nämlich daß eine Schwester nirgendwo im Gebet vorangehen darf. Wir müssen vorsichtig mit dem Ziehen von Schlußfolgerungen sein allein aus der Tatsache heraus, daß über etwas nichts gesagt wird. Aus Eph. 5,23 schließen wir doch auch nicht, daß Frauen ihren Mann nicht lieb zu haben brauchen weil in diesem Vers nicht von der Liebe der Frau zu ihrem Mann gesprochen wird.
Von den Versen 11 und 12 an verbietet der Apostel einer Frau zu lehren; sie soll sich ‘still’, wörtlich ‘in Ruhe’ belehren lassen. Hier wird ein anderer, weniger weit gehender Ausdruck benutzt als der für das absolute Schweigen in 1.Kor 14, wo Frauen selbst keine Fragen stellen dürfen. In 1.Tim 2,11ff. scheint der Apostel eine kleinere, mehr unformelle Gesellschaft zu meinen, wo die Frau zwar nicht lehren darf, aber wo das Fragen nicht unbedingt verboten war.
Daß eine Frau in der Zusammenkunft der Gemeinde nicht laut beten soll, kann man aus der Tatsache ableiten, daß in 1.Kor. 11,4.5 beten und weissagen auf eine Ebene gestellt werden, während in 1.Kor 14,34 das Reden in Sprachen und das Weissagen in der Gemeinde verboten werden.
(1b) Alle Schwestern sind (genauso gut wie die Brüder) Glieder am Leib Christi und haben somit auch eine Gabe. Es gibt also auch Frauen, die die Gabe des Lehrers, Propheten usw. haben. Diese Gabe müssen sie selbstverständlich ausüben können.
Kommentar:
Zurecht wird darauf hingewiesen, daß auch Frauen Gaben besitzen, weil sie Glieder am Leib Christi sind (siehe unsere Einleitung). Ob aber alle Gaben auch den Schwestern zugeteilt werden, ist jedoch die Frage. Wir denken z.B. an die Gabe der Apostelschaft. Es darf doch bemerkt werden, daß Jesus Christus nur Männer in den Kreis der zwölf Apostel berufen hat. Aber das nur nebenbei, die Kernfrage ist, ob Schwestern ihre Gabe auch in der Zusammenkunft der Gemeinde ausüben dürfen, oder ob 1.Kor 14,34 das tatsächlich verbietet (s. weiter oben).
Aus 1.Tim 2,11.12 hat man andererseits abgeleitet, daß nirgendwo, wo ein Mann anwesend ist, eine Schwester etwas über geistliche Dinge sagen dürfe. Nach unserer Ansicht geht man auch damit weiter als die Schrift und kommt ebenfalls in Konflikt mit z.B. Apg. 18,24-26, wo berichtet wird, daß sich auch Priscilla an dem Gespräch mit Apollos beteiligte.
(1c) In 1.Tim 2,11.12 geht es nicht um das Verhältnis von Mann und Frau im Allgemeinen, sondern das Eheverhältnis. Eine Frau darf nicht über den Mann herrschen. Das folgt nämlich aus der Tatsache, daß über Adam und Eva gesprochen wird, die eine eheliche Beziehung hatten.
Kommentar:
In Vers 8 und 9 wird über die Männer und über Frauen gesprochen. Von einer Ehe ist dort keine Rede. Es steht dort nicht, daß ‘ihre’ Frauen sich schmücken sollen usw.; selbst der Artikel für Frauen ist nicht vorhanden (siehe auch Vers 10). Es geht hier um ‘Männer’ und ‘Frauen’ als ‘Geschlechtsart’. In Vers 11 und 12 ist die Rede von ‘einer’ Frau und ‘einem’ Mann und nicht von ‘ihrem’ Mann. Es besteht also ein deutlicher Unterschied zu Eph. 5,22-33. Dort wird das besitzanzeigendes Fürwort gebraucht und das noch verstärkt durch den Zusatz ‘eigenen’ . Dieser Zusatz ist für den Kontext eigentlich gar nicht erforderlich. Wenn 1.Tim 2 sich auf ein Eheverhältnis beziehen würde, dann wäre es zum richtigen Verständnis sehr wohl nötig, daß dort die Rede von ‘ihren’ Männern, oder sogar ‘ihren eigenen’ Männern sein würde.
Mit dem zuvor Gesagten behaupten wir nicht, daß das, was für die Beziehung und das ‘Autoritätsverhältnis’ innerhalb der Ehe spezifisch ist, genauso für das allgemeine Verhalten eines Mannes zu einer Frau gilt. Aber das spezifische schließt das allgemeine, nicht so weit gehende Prinzip, nicht aus: Sollte eine Frau über ihren eigenen Mann nicht, aber doch über einen anderen Mann herrschen dürfen?
Nach unserer Überzeugung geht es in 1.Tim 2 darum, daß eine Frau nicht als ‘Lehrmeisterin’ auftreten soll, wobei sie mit Autorität spricht und die anwesenden Männer ‘auf die Schülerbank verweist’. Die Verbindung zwischen ‘lehren’ und ‘herrschen’ dürfen wir bei der Auslegung dieser Vorschrift nicht aus dem Auge verlieren.
Auch in 1.Kor 11,2-16 wird nicht speziell auf das Verhalten in der Ehe hingewiesen. Für die Engel ist es nicht nur wichtig, daß die Schöpfungsordnung innerhalb der Ehe sichtbar wird, sondern auch im allgemeinen auf dem Gebiet der Gemeinde.
(2) 1.Kor 11,2-9 spricht über das Auftreten der Frau in der Gemeinde. Dieser Abschnitt befindet sich zwischen den Vorschriften von 1.Kor 10,14ff. (über das Brotbrechen) und 1.Kor 11,17 (über das Abendmahl), und handelt somit von dem Zusammensein als Gemeinde.
Kommentar:
Dieses Argument ist wegen folgender Überlegungen falsch:
(a) In 1.Kor 10 ist das Hauptthema der Götzendienst; s. Vers 7 und 14. In diesem Zusammenhang weist der Apostel auf die moralische Unmöglichkeit hin, die Gemeinschaft mit dem Herrn mit der Gemeinschaft der Dämonen zu verbinden. Die Gemeinschaft mit dem Herrn ist in seinem Tod begründet, wodurch wir ein Leib geworden sind (V. 16-17), wobei wir von der Gesellschaft der Götzendiener völlig verschieden sind. Paulus spricht weiterhin über die moralische Unmöglichkeit, sowohl am Tisch des Herrn, als auch am Tisch der Dämonen teilzunehmen (V. 20-22). Seine Unterweisung in diesem Abschitt behandelt nicht das allgemeine Verhalten in der Zusammenkunft der Gemeinde, sondern richtet sich rein persönlich an jedem Gläubigen mit der Warnung, daß man das Teilnehmen am Tisch des Herrn nicht mit dem Teilnehmen an einer Opfermahlzeit verbinden kann.
(b) Danach fährt Paulus mit seinem Thema, dem Götzendienst, fort. Die Korinther konnten damit unbeabsichtigt konfrontiert werden und mussten vom Essen des Fleisches absehen, wenn ein anderer Gläubiger es als Opferfleisch betrachtete und dies auch andeutete. Niemandem sollte man nämlich zum Anstoß sein, dem Juden nicht, dem Griechen nicht und auch der Gemeinde Gottes nicht (V.28-32). Hier wird über die Gemeinde gesprochen, ohne daß die Rede ist von Zusammenkünften. Ein Gläubiger ist immer ein Glied der Gemeinde, auch wenn er einkaufen geht oder irgendwo etwas ißt. Der Schluß von 1.Kor 10 spricht also wohl über die (örtliche und weltweite) Gemeinde, aber nicht über das Zusammenkommen der (örtlichen) Gemeinde.
(c) Die Wortwahl in 1.Kor 11,2-16 weist wohl auf die Anwesenheit von anderen hin, wenn man so will auch auf die Öffentlichkeit (wenn auch nicht im kleinen Kreis) beim Beten und Weissagen der Frau, aber nicht auf das Zusammenkommen der Gemeinde. Wir müssen bedenken, daß der Brief an die Korinther zwar an die Gemeinde gerichtet ist, aber daß sich nicht alles, was in dem Brief steht, auf das Zusammenkommen der Gemeinde bezieht. So spricht 1.Kor 7 über Situationen in der Ehe und somit stehen dort mehr Dinge, die die Glieder der Gemeinde in ihrem persönlichen Leben zu berücksichtigen haben, in ihrem Umgang miteinander im Allgemeinen. Wenn einige Glieder von dieser Gemeinde aus bestimmten Gründen beieinander sind, bedeutet das noch lange nicht, daß sie als versammelte Gemeinde(n) angesprochen werden. Darum kann man dem 16. Vers kein Argument entnehmen, um die Verse 2-16 auf das Zusammenkommen der Gemeinde anzuwenden. Dieser Vers beinhaltet nur, daß die Gläubigen der Gemeinden nicht die Gewohnheit haben, die apostolische Unterweisung zur Debatte zu stellen. Den Zusatz ‘in der Gemeinde’ finden wir in diesem Abschnitt dann auch nicht, wohl aber in 14,35.
(d) Erst ab Vers 17 ist die Rede von ‘zusammenkommen’.
(3) Außerdem ist der Unterschied zwischen dem Zusammenkommen als Gemeinde und einem anderen Zusammensein in der Gemeinde theoretisch. Nun, 1.Kor 11,2-9 gibt Schwestern die Freiheit in der Gemeinde zu beten und zu weissagen.
Kommentar:
Wie bereits gesagt, weist die Wortwahl in 1.Kor 11,2-16 wohl auf die Anwesenheit anderer, wenn man so will, auch auf die Öffentlichkeit (wenn auch nicht im kleinen Kreis) beim Beten und Weissagen der Frau hin, aber nicht auf das Zusammenkommen der Gemeinde. Es wird in 1.Kor 11 zwar über ‘zusammenkommen’ gesprochen und dann ausschließlich vom Zusammenkommen ‘als Gemeinde’, aber das kommt erst in Vers 17 und den darauf folgenden Versen vor und keineswegs vorher.
Zur Vollständigkeit siehe diese Übersicht:
- ‘zusammenkommen’ (1.Kor 11,17,33,34; siehe auch 1.Kor 14, 26)
- ‘als Gemeinde zusammenkommen’ (1.Kor 11,18; ‘als Gemeinde’, d.h. ‘im gemeindlichen Zusammenhang’);
- ‘an einem Ort zusammenkommen’ (1.Kor 11,20; siehe auch 1.Kor 14,23).
In Vers 17 könnten außerdem die Worte ‘Wenn ich aber dieses vorschreibe, so lobe ich nicht, daß…’ besser wiedergegeben werden mit ‘Wenn ich aber dieses (nämlich das Folgende!) vorschreibe, so lobe ich nicht, (nämlich was betrifft) die Tatsache, daß ihr…’. Der Schluß von Vers 22 verweist jedoch auf Vers 17 und Vers 17 nicht auf das davor Gesagte. Vers 17 bezieht sich also auf das Folgende und nicht auf die Verse 2-16.
(4) Das Wort ‘schweigen’ in 1.Kor 14,34 ist nicht absolut gemeint. Dann dürften Schwestern auch nicht singen oder auf ein (Dank-) Gebet Amen sagen.
Kommentar:
Das in Vers 34 genannte ‘schweigen’ bedeutet genau dasselbe wie in Vers 28 und 30 das ‘Nicht reden’, aber das sagt an sich noch nichts zu der Frage, ‘wo, in welcher Hinsicht oder für wie lange’ geschwiegen werden soll. Das muß nämlich aus der Zeitform des Verbs und dem Zusammenhang, in dem es vorkommt, festgestellt werden.
Wenn ‘schweigen’ die Bedeutung von ‘aufhören mit reden’ oder ‘verstummen’ hat, kann man das nicht der Bedeutung des griechischen Wortes entnehmen, sondern ausschließlich der Interpretation der Zeitform . Wenn man aus Fällen, in denen eine andere Zeitform gebraucht wird, wie in 1.Kor 14,28.30 u. 34, folgert, daß der oder die ‘Schweigende’ erst geredet hat,oder die freie Wahl dazu gehabt hat, geht dies aus dem Zusammenhang hervor. In Vers 28 und 30 weist der Zusammenhang deutlich darauf hin, aber in Vers 34 keineswegs. Da steht eine absolute Aussage, die ebenso absolut in Vers 35 wiederholt wird.
In Vers 28 und 30 ist das Schweigen nicht absolut gemeint; derjenige, der in Sprachen redet (Vers 28), hat nur zu schweigen, wenn kein Ausleger da ist. Auch der Prophet (Vers 30) braucht nicht für immer zu schweigen, aber wohl in der konkreten, durch den Nebensatz beschriebenen Situation. Solch eine ‘Situation’ wird in Vers 34 und 35 eben NICHT angegeben. Die Frauen sollen nicht schweigen, solange bestimmte UMSTÄNDE andauern, sondern an einem bestimmten ORT und zwar ‘in den Gemeinden’ (Vers 34), ‘in der Gemeinde’ (Vers 35). Sie haben nicht nur mit einer bestimmten Art des Redens aufzuhören, sondern haben ganz und gar nicht zu reden.
Der Einwand, daß, wenn das Schweigegebot für die Schwestern so absolut ist, sie auch nicht mitsingen oder auf ein Gebet Amen sagen dürfen, ist eigentlich gar keiner. Es geht hier nämlich nicht um das, was Männer und Frauen gemeinsam tun, gemeinsam äußern, sondern um die Aktivität, die Äußerung einer einzelnen Person.
Das ‘Schweigen’ in Vers 28 und 30 des Sprachenredners und des Propheten folgt dem vorhergehenden Reden und in beiden Fällen betrifft es rein individuelle und selbständige Äußerungen. Das kann man von Mitsingen und Amen-sagen nicht behaupten: Beide Dinge finden gemeinsam und nicht auf eigene Initiative statt.
Aber da ist noch etwas: die Frage ist nämlich, ob ‘mitsingen’ und ‘Amen-sagen’ unter den Begriff ‘sprechen’ fallen. Es ist ja deutlich, daß der Apostel mit schweigen auf nicht reden hindeutet (Vers 34.35). Er bezieht es nicht auf keine einzige Äußerung machen. Das Schweigen und nicht-Reden bezieht sich unmißverständlich auf die Aktivitäten, die in den Versen 26-31 genannt werden. Ein Mann darf auf diese Weise sehr wohl in der Gemeinde etwas sagen, aber einer Frau ist das nicht gestattet.
Es bleibt natürlich die Frage offen, ob Lieder vorschlagen, Gebete sprechen oder einen Schriftabschnitt vorlesen auch als ‘sprechen’ aufgefaßt werden muß. Aber das wird in Argument 4 (noch) nicht behandelt.
Manche weisen darauf hin, daß in der frühen Christenheit das Schweigegebot so absolut aufgefaßt wurde, daß Schwestern tatsächlich nicht mitsingen durften und daß man erst später (eigentlich erst in der Reformationszeit) davon abgewichen ist. Das mag zwar so sein, aber welche Kraft hat solch ein Argument? In den ersten Jahrhunderten der Christenheit wurden allerlei verkehrte Auffassungen und Praktiken eingeführt, man denke nur an das Bischofsamt. Die Tatsache, daß die Bedeutung eines Textes in der Vergangenheit viel zu sehr eingeschränkt wurde, beinhaltet doch nicht automatisch, daß wir den Text auch heute noch genau so einschränken müssen?! Viel reeller ist die Gefahr, daß man durch einen Text, der in der Vergangenheit eingeschränkt wurde und worüber einem die Augen aufgegangen sind, in der anderen Richtung überzieht.
(5) Wenn Schwestern ,mitsingen‘ dürfen, dürfen sie auch weissagen, denn laut 1.Chr 25,3 ist Singen auch eine Form von Weissagen. Dabei müssen wir bedenken, daß Weissagen kein Lehren ist.
Kommentar:
Wenn Schwestern in der Zusammenkunft der Gemeinde ein Lied mit einer prophetischen Tendenz mitsingen, beinhaltet das noch lange nicht, daß sie selbständig als Prophetinnen auftreten. In 2.Mo 15,20 wird Mirjam ausdrücklich eine Prophetin genannt, aber das kann nicht von allen Frauen, die mitsangen, gesagt werden. Das von Mose und den Israeliten gesungene Lied, das übrigens einen großen Teil Prophetie enthält, wurde jedoch nicht von Mirjam angestimmt, sondern von Mose! Danach singen und tanzen die Frauen unter der musikalischen Leitung Mirjams. Aber das ist sicher kein ‘Vorangehen’, es ist auch keine Prophetie, es ist allein die Wiederholung des Lobpreises, den Mose und das Volk schon gesungen haben. Es ist also nicht die Rede von Vorangehen, sondern von Zustimmen und zwar von derartiger Wichtigkeit, daß Gott es der Mühe wert geachtet hat, dies besonders zu erwähnen. Gott wird dadurch verherrlicht, sowohl durch den Lobgesang selber, als auch durch die Tatsache, daß dieser ihm in der rechten Art und Weise dargebracht wird.
Übrigens kann ‘Weissagen’ durchaus Lehren beinhalten, obwohl es dann eine Unterweisung ist, die sich an die Bedürfnisse der Anwesenden dort-und-dann richtet. Siehe 1.Kor 14,3.4: ‘Wer aber weissagt, redet zu den Menschen zur Erbauung und Ermahnung und Tröstung. (…) wer aber weissagt, erbaut die Gemeinde.’ Auch der Dienst eines Lehrers richtet sich auf die Erbauung der Gemeinde (Eph 4,11.12), dann allerdings mehr von der Schrift ausgehend als von den Bedürfnissen der Hörer (oder Leser).
Was 1.Chr 25,3 betrifft, kann daraus nicht abgeleitet werden, daß den Herrn loben und preisen mit weissagen identisch ist. Beide Tätigkeiten verliefen zusammen, müssen aber unterschieden werden.
(6) Wenn wir das Wort ,schweigen‘ so absolut auffassen, müssen wir das auch mit dem Wort ,alle‘ in Vers 31 tun. Wenn wir dort eine Abstufung vornehmen, warum dann nicht auch bei dem Wort, schweigen‘?
Kommentar:
Nebenbei sei bemerkt, daß sich das Wort ‘alle’, wie aus dem Zusammenhang hervorgeht, auf die Propheten bezieht und daß, um auf sie hinzuweisen, hier ein männliches Wort benutzt wird, wie auch, wenn es in der Einzahl vorkommt.
Obwohl das an sich noch kein hundertprozentig stichhaltiger Beweis ist , daß Frauen davon ausgeschlossen sind, ist es doch bemerkenswert, daß in diesem Abschnitt keine einzige weibliche Personenbezeichnung gebraucht wird. Hier folgen einige unverkennbar männliche Worte, die gerade durch ihre Häufigkeit ein starker Hinweis darauf sind, daß sich in der Zusammenkunft der Gemeinde von 1.Kor 14 nur männliche Personen laut beteiligten. Um einer Diskussion über gemischte Gruppen zuvor zu kommen, beschränken wir uns auf die Einzahl: ‘jeder’ (griech. hekastos, V.26), ‘einer’ (griech. heis, V.27), ‘Ausleger’ (griech. diermèneutès, V. 28), ‘für sich’ (griech. heautooi, V.28), ‘einem anderen, der dasitzt’ (griech. allooi…kathèmenooi, V.30), ‘der erste’ (griech. ho prootos, V.30).
Was das eigentliche Argument betrifft, muß bemerkt werden, daß die Worte ‘alle’ und ‘alles’ in der Schrift bestimmt nicht immer absolut verstanden werden müssen. Das bekannteste Beispiel ist wohl: ‘alles ist mir erlaubt’ (1.Kor 6,12; 10,23). Bei anderen Worten ist das nicht so ausdrücklich der Fall. Es ist dann auch nicht richtig, auf Grund von verschiedenen Reichweiten eines Wortes, das eine Menge bezeichnet (‘alle’) und dazu noch eine unbeschränkte Menge, verschiedene Bedeutungen eines Wortes zu befürworten, das eine Aktivität oder eine Handlung andeutet (‘schweigen’).
(7) In 1.Kor 14,30 ist das Wort Schweigen nicht absolut gemeint; es bezieht sich auf einen bestimmten Umstand, in dem die Frauen schweigen sollten.
Kommentar:
Das ist absolut nicht der Fall, wie wir bei Argument 4 schon ausgeführt haben.
(8) In 1.Kor 14,26 steht das Wort ‘Brüder’, nicht das Wort ‘Männer’ (gegüber V.34 ‘Frauen’). Nun, das Wort ‘Brüder’ umfaßt in der Regel auch das Wort ‘Frauen’.
Kommentar:
Wenn im Neuen Testament die Mehrzahl ‘Brüder’ (griech. adelfoi) vorkommt, sind damit durchgängig sowohl die Brüder als auch die Schwestern gemeint. Allein in der Einzahl wird das Geschlecht unterschieden; so ist von ‘Schwester’ (griech. adelfè) die Rede in 1.Kor 7,15; 9,5; Jak 2,15; 2.Joh 13, und in 1.Kor 7 und 11 von ‘Frau’ und ‘Mann’. Wenn diese Unterscheidung auch in der Mehrzahl von Bedeutung ist, dann wird, um Mißverständnissen vorzubeugen, nicht ‘Brüder’ oder ‘Schwestern’, sondern ‘Männer’ bzw. ‘Frauen’ (1.Kor 14.34; Eph 5,22.25; Kol 3,18f.) gebraucht. Offensichtlich hält der Apostel es in 1.Kor 14,34 für nötig, den Geschlechtsunterschied, der auch in den vorangehenden Versen (schon ab Vers 26! Siehe auch bei Argument 6) betont wird, ausdrücklich zu unterstreichen.
(9) Das in Vers 35 erwähnte ‘zu Hause fragen’ steht gegenüber dem Unterbrechen des Dienstes der Propheten durch Schwestern und dann im besonderen dem Unterbrechen ihres eigenen Mannes. Es steht doch nicht umsonst da, daß sie ihren eigenen Mann fragen sollen. Paulus wußte doch sicher auch, daß es Schwestern gab, die keinen Mann hatten; warum sagt er dann nicht, was diese tun sollten?
Kommentar:
Hinter diesem Argument verbirgt sich der Gedanke, daß es in Vers 29 darum geht, öffentlich zur Diskussion zu stellen, was die Propheten gesagt haben. Frauen sollten ihren eigenen Mann in diesem Punkt nicht unterbrechen dürfen.
Der Gedanke, daß Paulus hier den Frauen nur verbieten würde, an der öffentlichen Beurteilung der Propheten teilzunehmen, ist von der Hand zu weisen. Unsere Argumente sind die folgenden:
(a) Aus nichts geht hervor, daß das ‘Beurteilen’ in Vers 29 die Bedeutung von ‘öffentlich Besprechen’, ‘Diskutieren über’ hat. Das Wort weist darauf hin, daß bei den anderen eine ‘kritische Zuhörhaltung’ vorhanden sein soll. Sie sollten, um es volkstümlich zu sagen, nicht alles ungekaut hinunterschlucken, sondern das, was gesagt wurde, beurteilen (vgl. 1.Thes 5,20.21). Auf jeden Fall wird nichts über den Ort und die Art und Weise gesagt, wie eine eventuelle Korrektur an den Sprecher herangetragen werden sollte (vgl. auch 1.Kor 11,13).
(b) Nach Vers 29 spricht Paulus weiter über den Dienst der Propheten und nicht über die Beurteilung ihres Dienstes. Ihr Dienst wird angedeutet als ‘Weissagen’ (V.31) und das ist die letzte ‘Rede-Aktivität’, die genannt wird, bevor er auf das Schweigen der Frauen in V.34f. zu sprechen kommt.
Laßt uns einmal davon ausgehen,
(1) daß sich V.29 auf das öffentliche Beurteilen eines Prophetenwortes bezieht, was an sich selber schon völlig unbewiesen ist;
(2) daß sich V.34 und 35 auf dieses Beurteilen beziehen soll, was eigentlich eine inakzeptable These ist, denn diese Verse stehen viel zu weit von Vers 29 entfernt, um sich auf eine unzweideutige Weise darauf zurückzubeziehen.
(3) daß Paulus mit diesen Versen meinte, daß Frauen sich an der öffentlichen Beurteilung eines Prophetenwortes nicht beteiligen sollten;
(4) daß die Sprache ein Medium ist, um sinnvolle, verständliche Mitteilungen zu machen (etwas, das tatsächlich keine Unterstellung genannt werden kann);
-dann würde Paulus seine Mitteilung in einer außergewöhnlich verdrehten und undeutlichen Weise gemacht haben, die Mißverständnisse hervorruft.
(c) Hinzu kommt noch, daß es sich bei dem Ausdruck ‘etwas lernen wollen’ höchstens um eine Frage nach etwas, das ihnen nicht klar ist, handeln kann. Der Ausdruck ‘etwas lernen wollen’ (oder ‘erfahren’) weist auf informatives und nicht auf unterbrechendes oder beurteilendes Fragen hin. Nun, sogar das Fragen, um etwas zu lernen, wird der Frau in der Zusammenkunft nicht gestattet.
(d) Dieses Gebot betrifft nicht ausschließlich verheiratete Frauen. Obwohl die meisten Frauen wohl verheiratet waren, geht der Apostel wie anderswo von dieser Situation aus. Und was das Nichterwähnen der unverheirateten Frauen betrifft: Man nehme einmal an, daß der Apostel Kindern das Reden in den Zusammenkünften verboten habe, sollten wir dann wirklich die Schlußfolgerung ziehen müssen, daß Waisenkinder nicht unter dieses Gebot fallen würden?
(e) Um es noch einmal zu sagen, es steht in V.34 nicht: ‘Sollen eure Frauen … schweigen’. Das würde dem oben genannten Gedanken noch einigermaßen Raum geben. Nein, da steht sehr allgemein ‘die’ Frauen. Wir sollten der Schrift nicht mehr entnehmen als was sie sagt, aber auch nicht weniger. Es weist nichts in der Vorschrift von V.34 darauf hin, daß es sich um eine eheliche Beziehung handelt. Dasselbe gilt für Vers 35 (‘eine Frau’).
Sich mit allem Nachdruck auf das Wort ‘eigenen’ auf Stellen wie Eph 5,22.24, Kol 3,18, Tit 2,4.5 und 1.Pe 3,1.5 zu berufen, wendet sich gegen den, der dieses Argument bringt. Denn warum sollte gerade dort die starke Betonung auf das Verhältnis in der Ehe gelegt werden, was doch aus dem Kontext schon mehr oder weniger hervorgeht und hier nicht, wo ein derartiges Verhältnis überhaupt nicht deutlich ist? Es wird im allgemeinen Sinn gesagt, daß es für eine Frau schändlich ist, in der Gemeinde zu reden.
(f) Häufig wird in Kommentaren zu diesem Abschnitt angeführt, daß bestimmte griechische Frauen gerne mit den Männern öffentlich diskutieren wollten und daß Paulus einem derartigen Auftreten von Frauen in der Gemeinde zuvorkommen wollte.
Man beruft sich dabei auf eine außerbiblische Gegebenheit, um eine Auslegung zu machen.
Manchmal bezieht sich Paulus in der Tat auf außerbiblische Gegebenheiten, um seine Unterweisung deutlich zu machen oder zu illustrieren. Er benutzt das Bild eines Soldaten, eines Sportlers, Ackerbauern usw. In solch einem Fall kann es bei der Auslegung eines Abschnitts, in dem diese Bilder benutzt werden, hilfreich sein, wenn man etwas mehr über diese außerbiblischen Gegebenheiten weiß. Bei einer Erklärung der einzelnen Teile der christlichen Waffenrüstung ist es z.B. wichtig zu ergründen, aus welchen Teilen die Rüstung bestand und welche Funktionen sie hatten. Aber in 1.Kor 14 findet man keinen einzigen Verweis auf griechische Angewohnheiten. Es ist also reine Spekulation, bestimmte Gewohnheiten des griechischen Lebens hier die Auslegung bestimmen zu lassen.
(10) Wenn man das Schweigen so absolut nimmt, muß man aus Vers 35 auch ableiten, daß die Schwestern in der Gemeinde keine Unterweisung bekommen durften, sondern allein zu Hause.
Kommentar:
Diese Schlußfolgerung ist nicht zwingend. Vers 35 geht von einem sehr bescheidenen Motiv einer Schwester aus, ihre Stimme in der Zusammenkunft zu erheben, nämlich dem Wunsch, etwas zu lernen. Darf sie in diesem Fall ihre Frage stellen? Nein, sagt der Apostel, das hat in der Privatatmosphäre zu geschehen. Aber wenn ein Prophet oder Lehrer in der Zusammenkunft eine Unterweisung gibt, genießen Schwestern davon genau so viel wie Brüder!
Es geht also nicht darum, daß die Frauen in der Gemeinde nichts lernen sollten, denn dann würden sie besser dem Zusammenkommen fernbleiben. Es geht darum, daß sie anläßlich des Gesagten nicht öffentlich Fragen stellen sollten, um verstehen zu lernen, was ihnen nicht deutlich ist.
(11) Wie kann man über das Vorschlagen von Liedern etwas Vernünftiges sagen? Man hatte doch noch kein Liederbuch?
Kommentar:
Es gibt sicher etwas Vernünftiges darüber zu sagen. Wir wissen zwar nicht, ob aus einem Liederbuch gesungen wurde, aber wir wissen wohl, daß man über einen ‘Liedschatz’ verfügte, wie aus Eph 5,19 und Kol 3,16 hervorgeht. Das Vorhandensein oder Nicht-Vorhandensein eines Liederbuches hat jedoch für unsere Schlußfolgerung keine Bedeutung. Wenn es dort, wie man annimmt, so zuging wie in einer Synagoge, ändert das auch nichts daran, denn nur ein Mann begann dort spontan zu singen, aber niemals eine Frau. Und außerdem halten wir das Vorschlagen eines Liedes, ebenso wie Weissagen und Beten (s.1.Kor 14,17), für eine lenkende, auferbauende und leitende Aktivität, die sich mit dem Verbot, in der Gemeinde auch nur Fragen zu stellen, schlecht vereinbaren läßt.
(12) Die ganze Diskussion ist vollkommen sinnlos. Es wird nämlich behauptet, daß 1.Kor 14,34.35 ein Abschnitt ist, der möglicherweise gar nicht im Urtext vorkommt und demnach nicht in der Bibel vorhanden ist. Warum reden wir dann noch darüber?
Kommentar:
Hier kommen wir in den Bereich der Textkritik. Textkritik ist eine wissenschaftliche Disziplin, die auf die Frage, was der ursprüngliche Autor genau geschrieben hat, Antwort geben will. Die Resultate dieses Gebietes sind gerade für den Bibelleser außergewöhnlich wichtig, weil wir von keinem einzigen Schreiber die originale, von ihm selbst geschriebene Handschrift besitzen. Der ursprüngliche Text des nicht mehr bestehenden Originals muß daher durch sorgfältigen Vergleich aller verfügbaren Handschriften rekonstruiert werden. Manche Handschriften sind direkte Kopien des Originals, aber die meisten sind Kopien von Kopien von … usw. Wie dem auch sei, ALLE Handschriften, die 1.Kor 14 enthalten, enthalten auch die Verse 34 und 35! Nur bei einigen Handschriften stehen diese Verse an einer anderen Stelle, nämlich am Ende des Kapitels. ES GIBT JEDOCH KEINE EINZIGE HANDSCHRIFT VON 1.KOR 14, IN DER DIE VERSE 34 UND 35 FEHLEN! Das ist ein höchst schwerwiegender Hinweis, daß diese Verse Teil des von Paulus geschriebenen Textes sind. Allerhöchstens kann man aus der gelegentlichen Verlagerung (nicht: Auslassung!) schließen, daß man sich in früheren Zeiten gefragt hat, ob sie in dem Kapitel vielleicht woanders besser hin passen würden. Die These, daß sie möglicherweise nicht Teil des inspirierten Wortes seien, läßt sich mit den meisten fundamentalen Regeln der Textkritik nicht vereinbaren und kann nicht ernst genommen werden.