Aus: Bode van het heil in Christus, Vaassen, NL
Jg.143, Nr.11, Nov. 2000, S. 20-21
Übersetzung: Frank Schönbach
Jaap G. Fijnvandraat
Eine lästige Frage
Fragt man einen durchschnittlichen Christen, zu welcher Kirche oder Gruppierung innerhalb der Christenheit er gehört, dann erhält man darauf meistens eine direkte und deutliche Antwort. So jemand wird zum Beispiel sagen, daß er/sie Mitglied der Niederländischen Reformierten Kirche, einer anderen Reformierten Kirche, einer Baptistengemeinde, einer bestimmten Pfingstgruppe oder etwas dergleichen ist. Kurzum: Man weiß direkt, woran man ist.
Stellt man diese Frage jemandem, der seine geistlichen Wurzeln in der Erweckungsbewegung zu Beginn des vorigen Jahrhunderts in England und Irland hat, dann folgt oft eine gewisse Stille, und danach erhält man eine Antwort wie: ‘Ich gehöre eigentlich nicht zu einer Kirchengemeinschaft’, ‘Wir haben eigentlich keinen Namen’, ‘Wir sind Christen, die aufgrund von Mt.18:20 zusammenkommen’, oder etwas dergleichen. Kurzum: Manchmal gewinnt man den Eindruck, daß diese Person offenbar etwas zu verbergen hat. Das letztere ist aber überhaupt nicht der Fall. Das Problem ist, daß ‘uns’ diese Frage in Verlegenheit bringt. Das begreift ein Außenstehender jedoch nicht. In diesem Kapitel wollen wir näher darauf eingehen.
Namen von Vorreitern
Bei jeder Erweckung auf kirchlichem Gebiet geht es im Prinzip um eine Rückkehr zu einer oder mehreren biblischen Wahrheiten. Oft haben dabei bestimmte Personen eine Vorreiterrolle gespielt. Man hat meistens nichts dagegen, sich nach einer solchen Person zu nennen. Ein gutes Beispiel ist die Reformation im 16. Jahrhundert. Es gab damals vier tonangebende Kirchenreformer, nämlich: Luther, Calvin, Zwingli und Menno Simonsz. Sie hatten jeder ihre Gefolgsleute, und diese hatten meistens keine Einwände dagegen, Lutheraner, Calvinisten, Zwinglianer oder Mennoniten genannt zu werden. Sie gebrauchten diese Namen sogar selbst.
In der Erweckung, um die es in dieser Themanummer geht, hat ein gewisser John Nelson Darby eine wichtige Rolle gespielt, und Außenstehende bezeichnen diejenigen, die aus dieser Erweckung ‘stammen’, dann auch als Darbisten. Sie selbst, oder laß mich weiter über ‘wir’ sprechen, sind über diesen Namen überhaupt nicht glücklich, und lehnen ihn ab. Die Frage ist natürlich, was der Grund dafür ist.
Ich bin von Paulus
Ein sehr wichtiger, schriftgemäßer Grund ist die scharfe Kritik, die Paulus zur Situation in Korinth äußert. Es gab dort solche, die sich nach führenden Personen benannten, wie Paulus, Apollos, Kefas oder sogar nach Christus. (Anmerkung: An sich ist der Ausdruck: ‘Ich bin von Christus’ eine gute Aussage, aber Paulus verurteilt dies hier bei den Korinthern. Offenbar machten sie Christus zum Oberhaupt ihrer Gruppe, mit Ausschluß der anderen.) Die Konsequenz dieser Gruppenbildung (wenn es auch noch keine offensichtliche Spaltung war) ist, daß hierdurch die Einheit der Gläubigen in Christus geleugnet wurde. Paulus stellt dann auch die Frage: ‘‘Ist der Christus zerteilt?’ Natürlich ist das nicht der Fall, aber es ist doch so, daß ihre Handlungsweise diesen Eindruck erweckte. (Anmerkung: Lies 1.Ko.1:13, vor allem auch die Hinzufügung im zweiten Teil des Verses.) Es ist also unbiblisch, sich nach Personen zu benennen und dadurch Gruppen zu bilden.
Darby ergriff nicht die Initiative
Es gibt auch einen sachlichen Grund, der jedoch weniger wichtig ist, nämlich daß Darby nicht die Initiative ergriffen hat zu der Art des Versammelns, so wie wir es jetzt tun. Er gehörte nicht zu den ersten vier, die in Dublin zusammen begannen, das Abendmahl zu feiern, ungeachtet ihrer Bindung an eine Kirchengemeinschaft oder eine bestimmte Gruppe. Es ist sogar so, daß an verschiedenen Orten unabhängig voneinander Gläubige spontan begannen, ‘das Brot zu brechen’ und sich einfach gegenseitig annahmen, weil sie Gläubige und daher Glieder des Leibes von Christus waren.
Darby hat später wohl durch seinen mündlichen und vor allem durch seinen schriftlichen Dienst einen wichtigen Platz in der ‘Brüderbewegung’ eingenommen, aber er war darin bestimmt nicht der einzige. Man könnte eine Reihe von Namen nennen und Personen beschreiben, wie es in einem englischen Buch mit dem Titel Chief Men Among the Brethren (frei übersetzt: ‘Herausragende Personen unter den Brüdern’) geschehen ist. Kurzum: Wenn Darby nicht gewesen wäre, wäre doch ‘die Brüderbewegung’ entstanden.
Unterschiede in der Lehre
Wichtiger ist ein dritter Punkt, und zwar der, daß es nicht unwichtige Unterschiede in der Auffassung gab, in denen viele mit Darby verschiedener Meinung waren. Da ist der Punkt der Taufe. Darby verteidigte die sogenannte Haustaufe und wollte daher, daß Kinder in einer Familie getauft werden, um sie in den Bereich des Königreiches zu bringen. Andere waren darin überhaupt nicht einig mit ihm und lehrten, daß nur Menschen, die sich bekehrten, getauft werden sollten.
Ein anderer Punkt ist die Frage der Verunreinigung durch Verbindungen. Darby und viele mit ihm waren in diesem Punkt (zu?) rigoros, während Männer wie Groves und Georg Müller (zu?) nuanciert darüber dachten. Neben den historischen Ereignissen in den Anfangsjahren führte dieser Unterschied in der Auffassung zu einer Spaltung, durch die die sogenannten ‘offenen’ und ‘geschlossenen’ Versammlungen entstanden. Beide Gruppen gehören jedoch zu dem, was wir ‘Brüderbewegung’ nennen. Deutlich ist, daß sich die ‘Offenen Brüder’ noch weniger als die geschlossenen Brüder Darbisten nennen (lassen).
Kein Glaubensbekenntnis, keine Kirchenordnung
Ein vierter Punkt ist, daß Darby, und das gilt auch für andere ‘Leiter’, niemals ein Glaubensbekenntnis oder eine ‘Kirchenordnung’ aufgestellt hat, die durch die Anhänger angenommen werden soll. Das ‘Nur die Schrift’ wird mehr als in mancher anderen Bewegung mit Nachdruck betont. Nun gebietet die Ehrlichkeit, zu sagen, daß im Lauf der Zeit hier und dort eine Art ungeschriebenes Glaubensbekenntnis in Kraft getreten ist. Vor allem in letzter Zeit wurde jedoch hiergegen angegangen.
Natürlich geht es nicht ohne ein gewisses Maß an Einstimmigkeit in fundamentalen Punkten. Ohne sie alle einzeln ausführlich zu besprechen, nenne ich die folgenden:
– Das Akzeptieren der Bibel als das absolute, autorisierte Wort Gottes. Wenn diese Basis wegfällt, ist keine Einheit möglich, und erhalten menschliche Normen die Autorität.
– Die Reinheit in der Lehre in Bezug auf das Wesen von Christus, und zwar das Akzeptieren seiner Gottheit oder seines Gott-Seins und der Glaube, daß Er wahrhaftig Mensch geworden ist, allerdings ohne die sündige Natur.
– Das Akzeptieren des Werkes von Jesus Christus, dem nichts hinzugefügt werden darf (siehe im Galater-Brief: Beschneidung) und von dem nichts weggenommen werden darf (siehe im 1.Korinther-Brief: Leugnung der Auferstehung).
– Das Festhalten an der Lehre von der Einheit der Gemeinde und das Ausüben von Zucht in Lehre und Wandel in Übereinstimmung mit dem, was wir in 1.Ko.5 und 2.Jo. lesen.
Das sind keine Nebensächlichkeiten, sondern wesentliche Punkte.
Überhaupt keinen Namen
Zum Schluß noch dies. Wir lehnen nicht allein den Namen Darbisten ab, sondern grundsätzlich wollen wir überhaupt keinen Namen führen, obwohl wir aus praktischen Gründen wohl manchmal eine Andeutung benutzen. Über diesen Punkt habe ich als Autor der ‘Prüf es nach-Hefte’ folgendes geschrieben:
Die ‘Prüf es nach’-Reihe ist gedacht für Gläubige, die in der Christenheit als ‘die Brüder’ bekannt sind. Sie wollen diesen Namen jedoch bestimmt nicht als einen Gruppennamen führen, sondern achten jeden Gläubigen als ihren Bruder oder ihre Schwester im Herrn Jesus Christus. Als ‘Gruppierung’ werden sie auch als ‘Versammlung von Gläubigen’ bezeichnet. Aber auch diesen Namen wollen sie nicht gebrauchen als eine Abgrenzung gegen andere Gläubige. Wenn sie zusammenkommen, wollen sie das tun als eine ‘Versammlung von Gläubigen’ nicht mehr, nicht weniger.